Matilda-Effekt: Unsichtbare Heldinnen der Wissenschaft

Zwischen 2001 und 2021 waren nur 14,1 Prozent der Nobelpreisgewinner:innen Frauen. Zwischen 1902 und 1921 waren es lediglich 4 Prozent (Infografik: Nobelpreise für Frauen | Statista). Diese Zahlen zeigen eine traurige Realität: Die Leistungen von Frauen werden seit Jahrhunderten in der Wissenschaft übersehen. Der Matilda-Effekt beschreibt genau dieses Phänomen der übersehenen Frauen, die einen wichtigen Beitrag zur Wissenschaft leisten, aber nicht dafür gewürdigt werden.

Eine Silhouette mit einem Fragezeichen steht auf einem orangefarbenen Hintergrund, umgeben von Wissenschaftssymbolen. Der Text lautet „Der Matilda-Effekt“.

Historische Wurzeln

Bereits vor über 150 Jahren erkannte die Frauenrechtlerin, Aktivistin und Soziologin Matilda Joslyn Gage die ungleiche Wahrnehmung von Forschungsergebnissen von Frauen und Männern in der Wissenschaft. Sie schrieb 1870 ein Pamphlet mit dem Namen “Woman as Inventor”, indem sie den damals vorherrschenden Glauben kritisierte, dass Frauen kein wissenschaftliches Talent besäßen. Mehr als 100 Jahre später griff die Historikerin Margaret Rossiter ihre Idee auf und verfasste den Essay “The Matilda Effect in Science”. Sie nahm Bezug auf Matilda Joslyn Gage und gab dem Matilda-Effekt seinen Namen.

Gründe für den Matilda-Effekt

Doch warum sind Männer in der Wissenschaft scheinbar häufiger vertreten? Und warum werden Frauen und ihre Arbeit häufig nicht erwähnt? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe

Zum einen hatten Frauen lange Zeit keinen Zugang zu relevanten Positionen in der höheren Bildung. Oft übten sie Assistenz-Berufe aus und übernahmen gleichzeitig einen Großteil des Haushaltes und der Kindererziehung. Somit blieb ihnen wenig Zeit und Raum, sich intensiv mit wissenschaftlichen Arbeiten auseinanderzusetzen.  

Hinzu kam die Herausforderung, dass ihre männlichen Kollegen sie nicht ernst nahmen. Dadurch war die Hürde zur Anerkennung ihrer Arbeit besonders groß. Viele Wissenschaftlerinnen arbeiteten außerdem mit ihren Ehemännern zusammen und wurden von deren Erfolgen überschattet, ohne für ihre Arbeit gewürdigt zu werden. Oft gaben die Ehemänner die gemeinsame Arbeit als ihre eigene aus, obwohl sie als Team arbeiteten. 

Wissenschaftlerinnen gibt es also genug, vor allem auch solche, deren Leistungen Anerkennung verdienen. Die Geschichte der Wissenschaft ist voll mit ambitionierten und talentierten Frauen, die wichtige Entdeckungen und Erfindungen gemacht haben und weiterhin an solchen arbeiten.  

Wir müssen nur genauer hinschauen! 

Deshalb möchten wir Euch im zdi-Heldinnen-Oktober drei dieser Frauen vorstellen: 

Beispiele für den Matilda-Effekt

Lise Meitner

Lise Meitner ist das wahrscheinlich berühmteste Beispiel für den Matilda Effekt. Die österreichische Physikerin forschte mit Otto Hahn an der Radioaktivität und entdeckte gemeinsam mit ihrem Kollegen die Kernspaltung. Den Nobelpreis bekam allerdings nur Otto Hahn. Auch der im Sommer 2023 erschienene Film “Oppenheimer”, der die Erfindung der Atombombe und ihren Bau thematisiert, klammert Lise Meitners Arbeit aus und reproduziert damit den Matilda Effekt.

Ein Schwarzweißfoto zeigt eine Frau in historischer Kleidung und mit Hut, die in einem Garten mit großen Blättern neben einem Fenster steht.

Rosalind Franklin

Das Bild ist eine schwarz-weiß Fotografie. Eine Frau (Rosalind Franklin) lehnt sich an einem Tisch nach vorne und legt ihre Hände auf die Tischplatte. Im Hintergrund sind Holzpaneele und teilweise sichtbare Schilder zu sehen.
CSHL, derivative work Lämpel, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die DNA-Doppelhelix wurde von Francis Crick und James Watson entdeckt. Dafür bekamen die Wissenschaftler den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 1962. Doch ihre Entdeckung beruht auf der Arbeit von Rosalind Franklin, einer britischen Chemikerin, die den Grundstein für ihre Entdeckung legte. Auch Franklins Beitrag zur Wissenschaft wurde übersehen und weder von den beiden Preisträgern noch vom Nobelpreis-Komitee gewürdigt.

Margaret Hamilton

Margaret Hamilton ist die Frau, die die Mondlandung möglich machte. Als US-amerikanische Informatikerin programmierte sie das Navigationssystem der Apollo 11 und steuerte somit maßgeblich zum Erfolg der Mission bei. Die Anerkennung für ihre Arbeit blieb jedoch lange Zeit aus. Erst 2003 wurde sie mit dem “NASA Exceptional Space Act Award” ausgezeichnet und bekam 2016 die “Presidential Medal of Freedom” von Barack Obama verliehen. 

Das Bild ist eine schwarz-weiß Fotografie. Eine Frau (Margaret Hamilton) liegt in einem Astronautensitz, blickt in die Kamera und bedient Schalter an einem Bedienfeld an der Decke.
NASA, Public domain, via Wikimedia Commons

Heldinnen der Zukunft

Auch heute noch kämpfen Frauen in der Wissenschaft um Anerkennung – besonders im MINT-Bereich. Das zeigt zum Beispiel der „Gender Citation Gap“: Wissenschaftlerinnen werden trotz gleicher Qualifikationen weniger zitiert als ihre männlichen Kollegen. Der Matilda-Effekt zeigt uns, wie wichtig es ist, für Gleichberechtigung einzutreten, genauer hinzusehen und die Heldinnen der Wissenschaft ins Rampenlicht zu rücken. 

Der zdi-Heldinnen-Oktober wirkt dem Matilda-Effekt aktiv entgegen, indem er Frauen im MINT-Bereich vorstellt und ihnen auf Social Media eine Plattform zur Sichtbarmachung bietet.

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