
„Warum sollen wir Frauen das nicht können?“
Auch im zdi-Heldinnen-Oktober beschäftigen wir uns weiterhin mit dem zdi-Jahresthema 2025 „Die Zukunft isst mit: Ein Blick auf die Ernährung von morgen”. Deshalb haben wir mit Cathrin Becker gesprochen. Sie ist Lebensmitteltechnologin und Leiterin des Qualitätswesens bei der Berief Food GmbH. Berief stellt bereits seit 1985 pflanzliche Lebensmittel her. Für das Portrait hat uns Cathrin von ihren Weg in die Lebensmittelindustrie erzählt und was sich im Bereich Mädchenförderung seitdem getan hat.
Ein gerader Weg in die MINT-Welt

Für Cathrin Becker war der Weg in einen MINT-Beruf naheliegender, als es vielleicht auf den ersten Blick wirkt. „Zu Schulzeiten hatte ich großes Interesse an Sprachen – Englisch habe ich immer gern gemacht, Französisch-Leistungskurs fand ich super. Aber Mathe und Physik fand ich immer spannend. Vielleicht, weil mein Vater Ingenieur war, meine Großväter waren Ingenieure und ich habe zwei ältere Brüder. Der eine ist auch Ingenieur“. An (männlichen) Vorbildern hat es in ihrem Umfeld also nicht gefehlt.
Trotzdem hätte Cathrin damals nie gedacht, dass analytisches Denken und Problemlösen einmal ihre größten Stärken sein würden. „Ich war früher unglaublich schüchtern. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass meine Stärken im Problemlösen und analytischen Denken liegen und dass ich wirklich einen Beitrag leisten und Themen voranbringen kann. Heute weiß ich: Ich kann das“.
Zunächst machte sie eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA). „Gerade im Labor etwas zusammen zu mixen, Reaktionen hervorzurufen – das hat mir immer total Spaß gemacht“. Der Wunsch, tiefer einzusteigen, führte sie zum Studium der Lebensmitteltechnologie.
Studium in Bonn – und die Bedeutung von Räumen
Die Auswahl an möglichen Studienorten war damals nicht sonderlich groß, die Wahl fiel Cathrin aber leicht: Bonn sollte es sein. „Ich komme eigentlich aus Essen und ich weiß nicht warum, aber ich habe schon zu Schulzeiten gesagt: Ich finde Bonn einfach total schön. Ich bin da ein bisschen wasseraffin, ich finde es herrlich, wie der Rhein da durchfließt“.
Rückblickend betont sie, wie wichtig Räume und Umfelder sind: Bunte, vielfältige Orte seien oft attraktiver für Studierende als Studienorte, die ausschließlich MINT-Fächer anbieten. „Ich könnte mir vorstellen, für einen ‚Durchschnittsmenschen‛, der jetzt vielleicht nicht ganz so nerdig ist, ist eine bunte Mischung anziehender als eine reine MINT-Fakultät. Mein Bruder hat in Aachen studiert und dort gab es in erster Linie die sehr männerlastigen Diplom-Studiengänge. Ich glaube, das hat Frauen eher abgeschreckt – man ist eher dorthin gegangen, um einen Mann kennenzulernen, aber nicht um dort zu studieren”, erzählt sie mit einem Augenzwinkern.
Frauen in Studium und Beruf

In ihrem Studiengang war der Frauenanteil höher als erwartet: „Ich hätte gesagt, es war ungefähr ein Drittel Frauen und zwei Drittel Männer. Vielleicht, weil der Bezug zu Lebensmitteln da war – das interessiert mehr Frauen als reiner Maschinenbau“.
Rat an junge Frauen
Cathrin Becker rät jungen Frauen, die sich für Lebensmitteltechnologie interessieren: „Eine gute Portion Neugier würde ich immer raten. Man muss ein bisschen Lust auf Technik haben, man muss die Prozesse verstehen – vom Wareneingang bis zum Ausgang. Ich würde immer empfehlen, mal ein Praktikum zu machen, einfach mal in so einen Betrieb schnuppern“.
Ein gutes Vorbild macht für Cathrin Glaubwürdigkeit aus: Frauen, die mit Begeisterung bei der Sache sind und jüngere Kolleginnen ermutigen, eigene Wege zu gehen. Eigene weibliche Vorbilder hatte sie nicht, sagt sie. Cathrin sieht sich selbst aber heute in einer Vorbildrolle: „MINT-Berufe sind eine tolle Sache und mir macht mein Beruf total viel Spaß. Ich meine: Warum sollen wir Frauen das nicht können? Da ist noch ganz viel Potenzial, das wir noch rauskitzeln können“.
Ihre Karriere führte Cathrin weiter über Stationen in der Zigarettenindustrie über die Fleischindustrie bis zu Berief Food, wo sie heute das Qualitätswesen leitet. Der Wiedereinstieg nach der Elternzeit war für sie nicht einfach: „Mir wurde mal gesagt, ich wär zu hoch qualifiziert für das, was da im Angebot war. Ich hab zahlreiche Bewerbungen geschrieben, ich wollte halt gerne Teilzeit arbeiten mit zwei kleinen Kindern“.
Heute sieht sie positive Entwicklungen: „Ich hab schon das Gefühl, dass es bei vielen Unternehmen inzwischen leichter ist, Arbeit und Familie zu vereinen, als noch vor 15 oder 20 Jahren“. Auch die Aufteilung von Elternzeit zwischen Müttern und Vätern sei heute etwas selbstverständlicher.

In der Lebensmittelbranche erlebt sie die Qualitätssicherung heute als Bereich mit vergleichsweise vielen Frauen: „Da sind Frauen sehr dominant, würde ich sagen. Wenn du Frauen im Unternehmen suchst, sind sie im Marketing, in der Personalabteilung oder in der Qualitätssicherung“.
Wünsche für zdi und MINT in NRW
Für die Zukunft der MINT-Bildung in NRW sieht sie zdi.NRW auf einem guten Weg. Besonders positiv erinnert sie sich an die zdi-Angebote für Kinder: „Es gibt in Gütersloh einmal im Jahr einen großen MINT-Mach-Tag. Da waren wir jedes Jahr. Das fand ich super. Es hat den Kindern immer viel Spaß gemacht – einfach sehen, anfassen, mitmachen. Das ist halt das, was ich wirklich total wichtig finde“. Der nächste MINT-Mach-Tag findet übrigens am 22. November 2025 statt.
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