Gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit in der MINT-Bildung

Sie sind in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt vertreten und lokal verankert. Sie koordinieren Aktivitäten und Angebote und möchten Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen verbessern: Die Rede ist von den Kommunalen Integrationszentren, kurz KI. Die Überschneidungen zu Aktivitäten der 47 zdi-Netzwerke in NRW sind zahlreich und die Potenziale für Kooperationen groß. Wie diese Zusammenarbeit gelingen kann und wo es schon erfolgreiche Projekte von zdi.NRW und den Kommunalen Integrationszentren gibt, das zeigen wir im Beitrag.
Außerdem haben wir bei MINTspiriert – der zdi-Podcast mit Dr. Kerstin Dangel, Koordinatorin des zdi-Zentrums Bottrop, gesprochen. In der aktuellen Folge erzählt sie über das erfolgreiche Projekt „KI4U”. Das Projekt ist in Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum Bottrop entstanden und gibt Tipps für die Zusammenarbeit mit den KIs.
Kommunale Integrationszentren: Was steckt dahinter?
In Nordrhein-Westfalen sind die Kommunalen Integrationszentren (KI) zentrale Akteur:innen für die Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte. NRW-weit gibt es mittlerweile 54 dieser Zentren, die für nahezu alle Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind. Sie koordinieren kommunale Integrationsaufgaben und vernetzen verschiedene Akteur:innen, um die Teilhabe und das Zusammenleben in Vielfalt zu fördern.
In welche Strukturen sind die KI eingebettet?
Kommunale Integrationszentren sind Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft, die Integration als Querschnittsaufgabe begreifen. Sie unterstützen unter anderem Bildungsinstitutionen, Vereine und Verwaltungen dabei, Zugänge für Menschen mit internationaler Familiengeschichte zu schaffen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Schulen, Kitas, Jugendhilfeeinrichtungen und sozialen Trägern kennen sie die lokalen Gegebenheiten und Bedarfe sehr genau. In der Regel sind die KI teil der kommunalen Verwaltung und in Bildungs-Dezernaten oder beim Jugendamt angesiedelt.
Als Zielgruppe haben die KI in erster Linie Menschen mit Migrationsgeschichte im Blick und dort häufig Familien, die (noch) nicht alle Bildungs- und Freizeitangebote in der Region kennen oder nutzen. Ein zentraler Fokus liegt auf „Integration durch Bildung“, mit Angeboten entlang der gesamten Bildungskette – von der frühen Kindheit bis zum Übergang in Ausbildung und Beruf. Über Projekte wie „Griffbereit“, „Rucksack KiTa“ oder „griffbereitMini“ gelingt eine enge Einbindung der Eltern. Für Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren gibt es außerdem kulturelle Bildungsangebote, etwa im Rahmen des Landesprogramms „Kulturrucksack NRW“.
Hier findet Ihr Informationen zu den Projekten „Griffbereit“, „Rucksack KiTa“ und „griffbereitMini“:
Die beiden Säulen der Kommunalen Integration

Die beiden zentralen Säulen, auf denen die Arbeit der Kommunalen Integrationszentren (KI) in Nordrhein-Westfalen basiert, heißen „Integration durch Bildung“ und „Integration als Querschnittsaufgabe“. Sie bilden das strategische Fundament für die integrative Arbeit in den Kommunen.
Integration durch Bildung
Diese Säule zielt darauf ab, Bildung als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe zu nutzen. Denn wer gute Bildungs- und Ausbildungschancen hat, hat auch bessere Möglichkeiten, sich selbstbestimmt und erfolgreich in die Gesellschaft einzubringen.
Integration als Querschnittsaufgabe
Die KI sind netzwerkstarke Organisationen, die kommunale Fachbereiche, freie Träger, Jugendhilfe, Kultur, Sport und Zivilgesellschaft zusammenbringen. Diese Multiplikator:innen-Rolle ist nicht nur für den außerschulischen Bildungsbereich Gold wert!
Die KI verstehen Bildungsprozesse ganzheitlich – und bieten dadurch auch ein ideales Sprungbrett, um MINT als Empowerment-Instrument in neue Kontexte zu bringen. Durch ihren Zielgruppen-Fokus auf Kinder, Jugendliche und Familien mit Fluchterfahrung oder internationale Familiengeschichte haben die KI Zugang zu genau den Easy-to-ignore-Gruppen, die in vielen außerschulischen MINT-Bildungsformaten noch unterrepräsentiert sind. Das zeigt sich etwa bei Seiteneinsteiger-Klassen, die über die guten Kontakte des KI zur Schulsozialarbeit gezielt angesprochen werden können. Auch der Baustein B4 „MINTplus” des zdi-BSO-MINT-Förderprogramms passt hier hervorragend – besonders in Kombination mit sprachsensiblen Formaten und alltagsnahen MINT-Zugängen.
Dabei ist das KI weniger operativer Anbieter als vielmehr Koordinator, Netzwerker und Möglichmacher: Es identifiziert Bedarfe, aktiviert lokale Multiplikator:innen (z. B. Schulsozialarbeit, Elternbegleiter:innen, Sprachmittlerpools) und stellt sicher, dass Förderformate möglichst passgenau und niedrigschwellig an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden. Diese Struktur erlaubt eine enge Vernetzung mit anderen Trägern, etwa freien Wohlfahrtsverbänden, und eine hohe thematische Flexibilität. Je nach Projekt und Zielgruppe stehen andere Fördermittel, Kooperationspartner:innen und Zugänge zur Verfügung – von Sprachkursen über Frauenprojekte bis hin zu schulbezogenen Angeboten. Auch der Zugang zu Schulen und Eltern läuft oft über vertraute Ansprechpartner:innen vor Ort. Das ist ein klarer Vorteil für außerschulische Bildungsakteur:innen wie zdi-Akteur:innen.
zdi & KI – Die Vorteile einer Zusammenarbeit zusammengefasst:
- Zugang zu Zielgruppen, die über klassische zdi-Kanäle leicht übersehen oder (noch) nicht erreicht werden
- Kooperationen mit bestehenden Bildungsprogrammen zur niedrigschwelligen Intergation von MINT-Angeboten (zum Beispiel MINKT)
- Verknüpfung von kultureller Identität mit MINT-Förderung, etwa durch vielfältige Vorbilder
- Direkter Kontakt zu Eltern und Unterstützung bei der Kommunikation mit ihnen
- Zugang zu Stadtteilzentren, Jugendtreffs und Vereinen als neue Veranstaltungsorte bzw. Orte für die Umsetzung mobiler Angebote, und Orte, um in Kontakt zu kommen
- Unterstützung bei der interkulturellen Öffnung der eigenen zdi-Angebote, zum Beispiel durch Zugang zum Sprachmittlerpool
Wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen zdi.NRW und KI?
Für einige Mitglieder der zdi-Community ist die Zusammenarbeit mit den Kommunalen Integrationszentren schon lange kein Geheimtipp mehr. Vielerorts sind erfolgreiche Projekte entstanden, von denen die Akteur:innen auf beiden Seiten profitieren. Zwei dieser Projekte stellen sich im Folgenden vor: Das Projekt KI4U vom zdi-Zentrum Bottrop und ein Grundschul-Projekt des zdi-Netzwerks Mülheim an der Ruhr.
Das Projekt KI4U und die Zusammenarbeit mit dem KI Bottrop
Das Kommunale Integrationszentrum Bottrop ist seit Jahren im Rahmen des Kulturrucksack-Programms aktiv und bietet regelmäßig Workshops zur Förderung von Medienkompetenz an. Auch Nachhilfeformate gehören fest zum Programm. Genau dieser direkte Zugang zu Kindern und Jugendlichen wurde zum entscheidenden Türöffner für die Zusammenarbeit mit dem zdi-Zentrum Bottrop.
Das KI sprach gezielt Teilnehmende in bestehenden Angeboten an, stellte den Kontakt zu den Familien her. Auch unterstützten sie die Jugendlichen – gemeinsam mit ihren Eltern – direkt beim Ausfüllen der oft recht umfangreichen Unterlagen zur Anmeldung zu den zdi-Workshops. So wurde aus einer Idee ein greifbares Angebot – und aus einem Konzept drei Workshop-Tage voller begeisterter Teilnehmer:innen. Die Dozent:innen für die Workshops wurden sowohl vom KI als auch vom zdi-Zentrum gestellt, eine geballte Kombination aus fachlicher, interkultureller und sozialer Kompetenz mit Vorbild-Charakter.
Das Ergebnis war beeindruckend: 25 Teilnehmende, darunter 16 Mädchen, nahmen an drei Workshops über drei Tage hinweg teil. Die Workshops fanden täglich von 10:30 bis 14:30 Uhr statt. Sie endeten mit einer Abschlusspräsentation, zu der auch die Eltern eingeladen waren. Dieses gemeinsame Engagement führte zu einem vollen Erfolg. Es zeigte, wie wertvoll Kooperationen zwischen zdi-Netzwerken und Kommunalen Integrationszentren sein können, um chancengerechte MINT-Bildung für alle Jugendlichen zu ermöglichen.
Bei „MINTspiriert! – der zdi-Podcast” haben wir ausführlich mit Dr. Kerstin Dangel vom zdi-Zentrum Bottrop über das gemeinsame Projekt gesprochen. Hört gerne rein – aber erst geht es noch weiter zum nächsten Gute Praxis-Beispiel aus Mülheim an der Ruhr.

KI und zdi.NRW gemeinsam unterwegs für die frühe MINT-Bildung in Mülheim an der Ruhr
In Mülheim an der Ruhr zeigt sich, wie aus räumlicher Nähe echte Zusammenarbeit entstehen kann. Das zdi-Netzwerk und das Kommunale Integrationszentrum (KI) gehören nicht nur beide zum Amt für Kinder, Jugend, Schule und Integration, sie saßen auch im selben Gebäude und teilten sich in der Vergangenheit sogar einen Flur. Und tatsächlich – die kurzen Wege haben Wirkung gezeigt. Denn was mit einem informellen „Flurgespräch” vor etwa 1,5 Jahren begann, entwickelte sich zu einem pädagogisch wertvollen und praxisnahen MINT-Projekttag für Grundschüler:innen.
Fördermittel sinnvoll einsetzen – mit Fokus auf Teilhabe
„Ich hatte mitbekommen, dass dem KI noch Fördermittel zur Verfügung standen, die bisher noch nicht verplant waren. Da es immer genug Kinder gibt, die solche Gelder gut gebrauchen können, habe ich gerne meine Unterstützung bei der Umsetzung eines Projekts angeboten”, erzählt Monika Bruckmann, Koordinatorin des zdi-Netzwerks Mülheim an der Ruhr.
Zielgruppe des Gemeinschaftsprojekts waren Grundschüler:innen mit internationaler Familiengeschichte – konkret die Gemeinschaftsgrundschule Zunftmeisterstraße (GGSZ) in der Stadtmitte, an der rund 95 % der Kinder einen Migrationshintergrund haben. Für das zdi-Netzwerk Mülheim passte das perfekt zur eigenen strategischen Ausrichtung: Im Rahmen der zdi-Netzwerkförderung wird aktuell verstärkt auf Kooperationen mit Grundschulen gesetzt.
MINT und Sprache zusammen gedacht: Projekttag mit zwei Stationen
Geplant wurde ein außerschulischer Projekttag für eine Klasse der GGSZ mit zwei Stationen, der im Jahr 2024 stattfand: ein Besuch der Zooschule Duisburg und ein Workshop im zdi-Schüler:innenlabor der Junior Uni Ruhr zum Thema Ozeane und Meerestiere. Dort wurde nicht nur geforscht, sondern auch Sprache gefördert – Begriffe wurden erklärt, Inhalte gemeinsam erarbeitet. „Sprache lernen durch Erleben“ lautete das inoffizielle Motto.
Die Finanzierung übernahm das KI, das zdi-Zentrum koordinierte die Umsetzung – von der Programmauswahl über die Organisation der Busse bis hin zu Getränken und Snacks. Für die Kinder und ihre Familien blieb der Ablauf bewusst niedrigschwellig. Die Betreuung übernahmen Lehrkräfte der GGSZ, organisatorische Fragen wie Foto- und Filmeinwilligungen wurden direkt über die Schule geregelt. Eine formale Anmeldung durch die Eltern war nicht nötig, die Genehmigungen wurden über die Schule eingeholt.
Aus dem Projekt hat sich eine enge Kooperation zwischen der GGSZ und dem zdi-Netzwerk entwickelt, die zukünftig weiter vertieft werden soll. Der kurze Draht zwischen KI und zdi bleibt auch erhalten. Die Lehre aus Mülheim: Nicht jede Kooperation beginnt mit einem Konzeptpapier. Manchmal reicht auch ein Flurgespräch – vorausgesetzt, man kennt sich, hört einander zu und hat ein gemeinsames Ziel.
Tipps & Handlungsempfehlungen
Wer mit einem Kommunalen Integrationszentrum zusammenarbeiten möchte, sollte wissen: Zuständigkeiten sind dort klar verteilt – aber oft sehr unterschiedlich organisiert. Je nach Kommune ist das KI anders strukturiert und auch die Schwerpunkte variieren. Deshalb lohnt es sich, gezielt nach dem passenden Kontakt für das eigene Vorhaben zu suchen.
Ein erster Orientierungspunkt ist die Zielgruppe: Viele KIs arbeiten themen- und altersgruppenspezifisch. So gibt es z. B. eigene Koordinator:innen für frühkindliche Bildung (etwa im Rahmen des Programms „Griffbereit”), andere sind auf Jugendliche, Sprachförderung oder berufliche Integration spezialisiert. Auch innerhalb des KI sind häufig mehrere Fachbereiche aktiv – von schulnahen Angeboten bis hin zur Familienberatung oder Erwachsenenbildung.

- Einfach Kontakt aufnehmen! Viele KI freuen sich über Kooperationen – ein Anruf oder eine E-Mail mit einer klaren Fragestellung genügt oft für den Anfang.
- Bereits bestehende Angebote nutzen: Erfragt, ob es regelmäßige Elternkurse, Sprachförder-maßnahmen oder Nachhilfegruppen gibt, an die Ihr mit einem Workshop anknüpfen oder Kontakt zu interessierten Jugendlichen aufbauen könnt.
- Kooperation auf Augenhöhe: KI kennen die Zielgruppe sehr gut – hört zu, was sie an Bedarfen und Herausforderungen sehen und bringt Eure MINT-Kompetenz ein.
- Persönliche Ansprache statt Flyer: Lasst die Ansprache der Jugendlichen möglichst durch bekannte Bezugspersonen des KI erfolgen – das wirkt niedrigschwelliger als allgemeine Werbung.
- Niedrigschwellige Anmeldung ermöglichen: Seid bei Anmeldeformalitäten so flexibel, wie möglich. Offene Angebote funktionieren oft besser!
Über die Kommunalen Integrationszentren hinaus können auch die Migrantenselbstorganisationen (MSO) eine gute Anlaufstelle für zdi-Akteur:innen sein. Die MSO sind von Menschen mit internationaler Familiengeschichte gegründete Vereine oder Initiativen. Sie engagieren sich für Bildung, Teilhabe und Empowerment in ihrer Community und verfügen über direkten Zugang zu Familien. Sie sind lokal gut vernetzt und können bei der Ansprache von Jugendlichen und Eltern sowie bei der Projektumsetzung zur Seite stehen.
Die Fachberatung Migrantenselbstorganisationen NRW unterstützt gerne bei der Vernetzung mit relevanten Akteur:innen in Eurer Region:
Fazit: Türen öffnen – auf beiden Seiten
Die Zusammenarbeit von zdi-Zentren und Kommunalen Integrationszentren birgt enormes Potenzial – und zwar für beide Seiten. Während die KI mit ihrer Nähe zu Familien mit internationaler Geschichte, ihrem Zugang zu Stadtteilen und ihrem sozialpädagogischen Know-how Zielgruppen aufschließen können, die von zdi-Angeboten bisher noch zu leicht übersehen wurden, ermöglichen die zdi-Netzwerke wiederum den Zugang zu einer Welt voller MINT-Themen, technischer Infrastruktur und praxisnaher, außerschulischer MINT-Bildungsangebote.
Diese wechselseitige Öffnung schafft neue Räume der Teilhabe: Die KI bringen Jugendliche mit, die neugierig sind, aber bisher keinen Zugang zu MINT-Förderung hatten. zdi bringt Expertise, engagierte Dozent:innen, außerschulische Lernorte wie zdi-Schüler:innenlabore und hochwertiges Material ein – und macht so Erfahrungsräume zugänglich, die außerhalb des Alltags vieler Jugendlicher liegen. Oder anders gesagt:
Die einen öffnen Türen zu den Menschen – die anderen zu den Themen und Möglichkeiten.
Gerade in einer vielfältigen Gesellschaft ist diese Verbindung von sozialer Nähe und technischer Bildung ein Schlüssel zu mehr Chancengerechtigkeit. Die Erfahrung zeigt: Wenn beide Seiten einander zuhören, entsteht mehr als nur ein gemeinsames Projekt – es entsteht Vertrauen, Sichtbarkeit und ein nachhaltiger Beitrag zur MINT-Bildung für alle.
Quellen:
Wir bedanken uns für die Informationen aus dem zdi-Zentrum Bottrop, dem zdi-Netzwerk Mülheim an der Ruhr und dem Kommunialen Integrationszentrum Mülheim an der Ruhr, die in diesen Beitrag eingeflossen sind. Weitere Quellen findet Ihr hier:
- Informationen über die Kommunalen Integrationszentren auf der Seite des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integrations des Landes NRW (MKJFGFI NRW): Kommunale Integrationszentren | Chancen NRW
- Informationen zum Programm “griffbereit” und “RucksackKITA”: Griffbereit & Rucksack KiTa
- Informationen über das Kommunale Integrationsmanagement auf der Seite des MKJFGFI NRW: Kommunales Integrationsmanagement NRW | Chancen NRW