MINT-Förderung in Europa

Ein Schild mit der Aufschrift „zdi“ vor einem Fenster. Durch das Fenster sieht man die Buchstaben NRW in Grün, Weiß und Rot und eine Europafahne leuchten.

In vielen europäischen Ländern fehlen MINT-Fachkräfte – ein Problem, das Wirtschaft und Hochschulen betrifft und auch die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit Europas beeinflusst. Die EU reagiert darauf mit unterschiedlichen Maßnahmen, Programmen und Netzwerken zur Förderung von naturwissenschaftlich-technischer Bildung. Für die zdi-Community in NRW lohnt sich ein Blick auf diese Entwicklungen, um Maßnahmen, Programme und Möglichkeiten der Zusammenarbeit kennenzulernen.

EU und MINT-Förderung

Der Fachkräftemangel in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist kein neues Phänomen, wurde jedoch durch Digitalisierung, den Wandel hin zu erneuerbaren Energien und ressourcenschonendem Wirtschaften sowie den demografischen Wandel deutlich verschärft. Um ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele – z. B. den „Green Deal“ oder die digitale Transformation – zu erreichen, setzt die EU gezielt auf Nachwuchsförderung in MINT-Bereichen. Dies bedeutet für MINT-Akteur:innen in ganz Europa: neue Programme und mehr internationale Zusammenarbeit.

Die EU-Kommission engagiert sich nun seit rund 20 Jahren für den MINT-Nachwuchs – zunächst im Kontext von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, später zunehmend im Zusammenhang mit Digitalisierung, Nachhaltigkeit, sozialer Teilhabe und Gleichstellung. Der heutige strategische Fokus ist das Ergebnis einer Entwicklung, die mit der Lissabon-Strategie begann, einer groß angelegte Initiative die den europäischen Wirtschaftsstandort stärken wollte, u.a. mit mehr qualifizierten Arbeitskräften für die hoch technisierte Welt.

Exkurs: Warum fehlen MINT-Fachkräfte?

Während neue Technologien, digitale Anwendungen und nachhaltige Lösungen in rasantem Tempo entwickelt werden, fehlt es vielerorts an Fachkräften, die sie planen, umsetzen und weiterdenken können. Der heutige (MINT-)Fachkräftemangel in Europa ist das Ergebnis einer Entwicklung, die sich aus dem Zusammenspiel von Demografie, Strukturwandel und Bildungspolitik ergeben hat. Der kleine Rückblick zeigt, dass die Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit des technologischen Wandels und der Veränderung der Bildungssysteme eine Rolle spielt.

Nachkriegszeit und Wiederaufbau (1945 – 1970er Jahre)

Arbeiter bauen ein Stahlgerüst und verlegen Eisenbahnschienen in einer Stadt. Ein Dampfzug fährt vorbei und stößt schwarzen Rauch aus.

Technische Entwicklung: Die industrielle Fertigung wurde rationalisiert und modernisiert. Eine große Anzahl von Arbeitskräften wurden in der Schwerindustrie, im Bergbau und im Baugewerbe benötigt. Die technologischen Standards waren in dieser Phase noch relativ einfach und erforderten oft manuelle Fähigkeiten, aber weniger spezialisierte akademische Abschlüsse.

Politische Maßnahmen: Um den Arbeitskräftebedarf zu decken, wurde eine aktive Politik der sogenannten Gastarbeiteranwerbung betrieben. Die Bildungspolitik konzentrierte sich zunächst auf die Bereitstellung von grundlegender technischer und beruflicher Bildung, um die Nachfrage der Industrie nach Handwerker:innen und Facharbeiter:innen zu befriedigen. Die berufliche Ausbildung wurde als wichtiger Pfeiler der Wirtschaftspolitik etabliert.

Strukturwandel und Bildungsexpansion (1970er – 1990er Jahre)

Eine Person tippt auf einem alten Computer an einem Schreibtisch. Disketten, Papiere und ein hoher Stapel Bücher liegen auf dem Schreibtisch in einer Büroumgebung.

Technische Entwicklung: Die ersten Automatisierungswellen und die beginnende Digitalisierung veränderten die Produktionsprozesse. Arbeitsplätze in der traditionellen Industrie wurden abgebaut, während neue Branchen wie die Informationstechnologie an Bedeutung gewannen. Einfache manuelle Tätigkeiten wurden automatisiert, während komplexe Aufgaben und die Verwaltung von neuen Technologien zunahmen.

Politische Maßnahmen: Europäische Regierungen setzen auf eine massive Bildungsexpansion. Mehr Universitäten wurden gegründet. Es gab eine politische Verlagerung hin zu akademischer Bildung und die Hochschulzugangsbeschränkungen wurden gesenkt. Allerdings verlor für viele Menschen dadurch die Berufsausbildung an Ansehen. Weniger junge Menschen entschieden sich für eine Ausbildung.

Digitalisierung und ökologischer Umbau (1990er Jahre bis heute)

Eine Frau mit Schutzbrille arbeitet an einem Laptop neben einem gelben Roboterarm in einer modernen Industrieanlage mit großen Fenstern.

Technische Entwicklung: Die Digitalisierung, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Robotik und der Übergang zu Industrie 4.0 haben die Anforderungen an Fachkräfte erneut massiv verändert. Gleichzeitig erfordert der ökologische Umbau (Energiewende, E-Mobilität, Kreislaufwirtschaft) neue technische Kompetenzen, die in der Vergangenheit nicht vermittelt wurden. In vielen Schlüsseltechnologien wie der Halbleiterfertigung oder der Software-Entwicklung sind europäische Unternehmen (auch) auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.
Politische Maßnahmen: Die Politik versucht, diese Lücken mit verschiedenen Maßnahmen zu schließen. Dazu gehören z.B. die Förderung von MINT-Fächern und Reformen in der Berufsbildung. Auch eine aktive Zuwanderungspolitik soll Fachkräfte in diesen Bereichen anwerben.

Europas MINT-Offensive

Überall in Europa wird deutlich: Die Lücke zwischen dem Bedarf und Angebot von MINT-Fachkräften wächst. Um mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und Chancen zu eröffnen, wird auf eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung gesetzt. Dies ist auch einer der Gründe, warum sich die EU zunehmend für die Förderung von Frauen in MINT-Berufen einsetzt und diese in ihren Maßnahmen und Programmen stärker berücksichtigt.
Der aktuelle EU-Plan für MINT-Förderung, der Strategic Plan for STEM Education 2025, hat konkrete Zielwerte festgelegt, deren Erreichung bis 2030 angestrebt wird:

  • 45 % der Auszubildenden in mittlerer beruflicher Bildung sollen in STEM-Fächern sein – davon mindestens 25 % Frauen
  • 32 % der Studienanfänger:innen im tertiären Bereich in STEM – davon 40 % Frauen
  • 5 % der Promovierenden in Informatik – davon 33 % Frauen
Das Bild zeigt eine Grafik, die den nebenstehenden Text nochmal illustriert: Zielbereich: Berufsausbildung, Anteil MINT-Fächer 45%, davon Frauen 25%; Zielbereich Studienanfänger:innen, Anteil MINT-Fächer 32%, davon Frauen 40%, Promovierende in Informatik 5%, davon Frauen 33%

Um diese Ziele zu erreichen, werden in dem Strategiepapier drei “Action Areas” (Maßnahmenpakete) formuliert:

  • Lead – strategische Steuerung, Governance und Datenbasis verbessern
  • Level up – Kompetenzen und Zugänge ausbauen, Innovation in der Lehre fördern
  • Lift barriers – Hindernisse abbauen, insbesondere für Frauen und unterrepräsentierte Gruppen

Diese münden in konkrete Aktionen, wie zum Beispiel:

  • STEM Executive Panel: Gründung eines Gremiums aus Industrievertreter:innen, welches Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildung erarbeitet
  • Skills Intelligence: Ausbau der EU-Kompetenzbeobachtung z. B. durch das „European Skills Intelligence Observatory“ zur besseren Prognose zukünftiger Branchenerfordernisse 
  • Partnerschaften: Intensivere Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen, Forschung und Wirtschaft, u. a. durch projektbasierte, transdisziplinäre Lernformate. Ein Beispiel ist das Europäische Bildungsnetzwerk, welches bereits seit 1997 die Vernetzung von Schulen, Lehrkräften und Bildungspolitik in Europa oder Innovationen im Unterricht initiiert.
  • Lehrkräfte stärken: Fokus auf Qualität der Ausbildung und berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrkräfte, besonders in weniger entwickelten Regionen. Das teach4life Projekt beispielsweise ist für Lehrende, die ihre MINT-Kompetenzen weiterentwickeln möchten, interessant.
  • EU-weit sichtbare Ziele: Intensivierung von Peer-Learning, Austausch von Best Practices oder Evidenz-basierte Reformimpulse.

zdi.NRW gestaltet die MINT-Strategie in Europa aktiv mit

zdi.NRW in Nordrhein-Westfalen und die MINT-Strategie der Europäischen Union verfolgen beide das Ziel, dem MINT-Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Während die EU-Kommission auf europäischer Ebene mit Initiativen wie dem STEM Executive Panel oder der Kompetenzbeobachtung die Rahmenbedingungen schafft und Impulse setzt, setzt zdi.NRW diese Ziele in NRW direkt in die Praxis um.

Aber zdi.NRW ist nicht nur ein regionaler Akteur in der MINT-Förderung, sondern nimmt auch eine strategische und integrative Rolle auf europäischer Ebene ein. Die wichtigsten Aktivitäten im Überblick:

  • Strategische Vernetzung und Einflussnahme: zdi.NRW ist seit 2020 Mitglied der europäischen STEM Coalition und damit aktiv an der Entwicklung europäischer MINT-Strategien beteiligt. In Brüssel oder bei Konferenzen in europäischen Mitgliedsstaaten wurde zdi.NRW bereits mehrfach als Best-Practice-Modell vorgestellt.
  • Beispiele aus der zdi-Community:
    Das zdi-Netzwerk Kleve nahm an einem internationalen Austausch zur MINT-Nachwuchsförderung in Brüssel teil.
    Das zdi-Netzwerk Gelsenkirchen erhält für das Projekt “MINT-Booster” EU-Fördermittel im Rahmen der Fachkräfteoffensive NRW. Das Projekt will die Reichweite und Bekanntheit der zdi-Angebote langfristig steigern. Dabei konzentriert es sich vor allem auf den Norden Gelsenkirchens und baut neue Partnerstrukturen auf.
  • Praktische Umsetzung und Pilotprojekte: zdi.NRW ist außerdem Partnerin im Projekt CoVE STEM Europe Project (Centres of Vocational Excellence). Das CoVE-Programm ist ein systemischer Ansatz, der alle Akteur:innen zusammenbringt, die an beruflicher Bildung beteiligt sind – von der Schule bis zum Unternehmen, von der Lehrkraft bis zur EU-Kommission. Für zdi-Koordinator:innen oder Berufsschulteams ist das eine Chance, europäische Impulse in die eigene Arbeit einzubinden.
  • Kohärenz mit EU-Prioritäten: zdi.NRW orientiert sich an den wachsenden MINT-Bildungsprioritäten der EU. Mit Projekten im Sinne des STEM Education Strategic Plan und der Skills Union setzt zdi europäische MINT-Ziele in Nordrhein-Westfalen um. Dazu gehören zum Beispiel die gezielte Mädchenförderung bei zdi, praxisorientierte MINT-Kurse oder die Berufs- und Studienorientierung im Rahmen von zdi-BSO-MINT.

Europäische Impulse für die Arbeit der zdi-Community

Ob außerschulischer Lernort, Jugendzentrum, Bildungsverein oder kommunales Netzwerk – MINT-Akteur:innen in NRW können aktiv von europäischen Fördermaßnahmen profitieren. Viele europäische Angebote lassen sich direkt in die zdi-Arbeit integrieren. Ein paar Beispiele:

ZielEU-Förderungen & ProgrammeUmsetzung bei zdi.NRW
Infrastruktur & Vernetzungzdi-MINTplus.NRWFörderung von Wissenschaftstransfer und vom Ausbau außerschulischer Lernorte
Internationaler AustauschErasmus+Hospitationen bei europäischen MINT-Initiativen, Fortbildungen für Koordinator:innen
InfrastrukturförderungEFRE-zdi 2012 – 2020, zdi-REACT-EUFörderung von Schüler:innenlaboren, Technikausstattung, Projekträumen, Digitalisierung
Materialien & VernetzungScientix, EU STEM CoalitionNutzung von Unterrichtsmaterialien, Teilnahme an Webinaren, Austauschformate
ProjektentwicklungErasmus+ PartnerschaftenIdeenaustausch, Netzwerke aufbauen
Digitale BildungDigital Europe ProgrammeFinanzierung von Projekten zur digitalen Bildung
LehrmaterialienInclusive STEAM AllianceLehrmaterial, Weiterbildung
Digitale BildungEU Code WeekLokale Workshops zu Coding und IT

Bei der Beantragung von EU-Mitteln unterstützen Nationale Kontaktstellen. Bei der Nutzung von EU-Mitteln für lokale MINT-Projekte sind die wichtigsten Organisationen die Nationale Agentur Bildung für Europa (NA-BIBB) und die Nationale Agentur Bildung für Europa beim Pädagogischer Austauschdienst (PAD).

Wenn es um den Aufbau eines länderübergreifenden MINT-Projektes und die Suche nach geeigneten Partnern geht, ist Scientix besonders geeignet.

In der aktuellen EFRE-Periode 2021-2027 wurde zum 01.09.2025 wurde die Förderbekanntmachung „zdi-MINTplus.NRW” veröffentlicht. Informationen zu Aktivitäten rund um die vergangene Förderperiode „EFRE-zdi” von 2012 bis 2020 findet Ihr hier: EFRE-zdi.

Fazit

Die Europäische Union treibt die Förderung von MINT-Bildung gezielt voran. Dabei setzt sie auf starke Netzwerke wie die EU STEM Coalition und auf den Austausch bewährter Ansätze. In diesem Zusammenhang wird die zdi-Community in NRW europaweit als gelungenes Beispiel für regionale MINT-Förderung wahrgenommen.

Für zdi-Akteur:innen bedeutet das: Sie können von europäischen Kooperationen profitieren, gute Praxis sichtbar machen und neue Zugänge zu europäischen Förderangeboten erschließen.

Eure Ansprechpartnerin rund um zdi.NRW und Europa:

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