Gesprächsrunde: Die zdi-Science League Jury

Die zdi-Science League Jury über den Wettbewerb, MINT-Nachwuchsförderung und die Verantwortung der Wirtschaft

Passend zum anstehenden letzten Spieltag der zdi-Science League haben sich die bisher noch nicht vorgestellten Juroren in einer virtuellen Gesprächsrunde zusammengefunden, um mit Gwendolyn Paul über die Bedeutung von MINT-Nachwuchsförderung und die Verantwortung der Wirtschaft dabei zu sprechen. Natürlich war auch die Science League selbst Thema – und warum gerade diese Art von Wettbewerb sich ganz besonders für die Nachwuchsförderung eignen kann. Die Juroren hatten alle schon direkten oder indirekten Kontakt mit der zdi-Community und freuen sich umso mehr, nun ein (noch) aktiver(er) Teil dieser Community sein zu können.

Die Gespräche fanden an zwei Terminen im Mai 2023 statt, die hier im Text und im Video zusammengefasst werden. Auf eigenen Wunsch sind nicht alle Gesprächsteilnehmer im Video zu sehen. Moderiert wurde das Gespräch wieder von Gwendolyn Paul, Kommunikationsleiterin bei zdi.NRW.

Einen Zusammenschnitt der Gesprächsrunde gibt es auch auf unserem YouTube-Kanal @zdiNRW.

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Im Gespräch:

Das Foto zeigt Jörg Malzon-Jessen.
Jörg Malzon-Jessen

Jörg ist Unternehmens-sprecher für Nordrhein-Westfalen der Infineon Technologies AG und seit vielen Jahren im MINT-Bereich unterwegs.

Das Foto zeigt Patrick Kathöfer.
Patrick Kathöfer

Patrick ist Unternehmens-gründer von KATMA Clean Control. Schon seit vielen Jahren gibt er auch selbst Kurse im schulischen und außerschulischen MINT-Bereich.

Das Foto zeigt Petr Tluka.
Dr. Petr Tluka

Petr ist bei der NRW-Landesinitiative Energy4Climate tätig. Im Bereich Energiewirtschaft ist er dort zuständig für die Themen Bioenergie und Wasserwirtschaft und zusätzlich auch Beauftragter für das Thema Landwirtschaft.

Das Foto zeigt Oliver Francke.
Oliver Francke

Oliver arbeitet bei der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungs- gesellschaft. Einer seiner Schwerpunkte liegt dabei auf dem Thema Aus- und Weiterbildung.

 

Warum ist MINT wichtig?

Gwendolyn: Herzlich Willkommen zur Science League-Gesprächsrunde! Zu Anfang würde ich gerne von euch wissen: Wie ist euer Bezug zu MINT und was findet ihr an MINT besonders wichtig?

Petr: Ich finde der ganze MINT-Bereich ist etwas, über den sich Schüler:innen sehr gut motivieren lassen. Zu Anfang kann man vielleicht mit den abstrakten Zahlen, mit denen man zum Beispiel in der Mathematik umgeht, noch nicht viel anfangen. Aber später wird klar, dass es alles wertvolle Instrumente sind, die uns zeigen, wie die Welt funktioniert. Und diese Erlebnistour, die man mit den MINT-Fächern durchmacht, die finde ich sehr spannend.

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Patrick: Ich komme auch aus einer sehr technischen Familie, bei uns wurde schon immer geschraubt, gemacht und getan. Für mich ist es mit dem Zugang zu MINT-Themen ein bisschen wie auf einem Bolzplatz. Als Kind hat man hier die Möglichkeit, alle möglichen Sportarten auszuprobieren und einfach mal einen Ball zu kicken. Die gleichen Möglichkeiten bieten sich leider bei MINT-Themen nicht, man kann nicht mal eben so einfach Technologien ausprobieren.

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Jörg: MINT-Nachwuchsförderung ist für mich ein wichtiger Baustein der Unterstützung junger Menschen bei der beruflichen Orientierung. Dem MINT-Bereich haftet ja oft noch ein Nimbus des schwer Überwindbaren an. Dass gerade MINT-Berufe auch richtig Spaß machen und sinnhaft sein können, kann man mit einer guten MINT-Förderung zeigen. Hier können Wirtschaft und Industrie helfen, am praktischen Beispiel genau diese Punkte erfahrbar zu machen.

Oliver: Ich gebe mal meinen Senf aus Perspektive der Wirtschaftsförderung dazu: Wir sind hier im bergischen Städtedreieck in besonderem Maße von großen Transformationsbewegungen betroffen. Dabei müssen wir feststellen, dass die Bedeutung der MINT-Fächer jahrelang vernachlässigt wurde. Die Berufsbilder entstehen in den Köpfen der Kinder bereits in den Jahren vier bis acht. Gerade dort kann man mit einem spielerischen Ansatz sehr viel erreichen.

Teamwork statt Ellenbogen

Gwendolyn: Wie ist euer Blick auf den Wettbewerb, die zdi-Science League? Inwiefern ist die Liga für euch etwas Besonderes?

Jörg: Im Vergleich zu anderen Wettbewerben finde ich es bei der Science League gut, dass die Aufgaben von Spieltag zu Spieltag komplexer werden. Man begleitet einen Prozess und bewertet am Ende ein Ergebnis, statt Runde für Runde Teams ausscheiden zu lassen. Das ist, finde ich, als Ansatz viel förderlicher.

Petr: Das kann ich nur unterstreichen. Das schöne bei der Science League ist, es ist kein Ellbogen-Wettbewerb. Es geht vielmehr um den Prozess, um die Motivation und den Weg. Und darum, möglichst alle Teams bis zum Ende mitzunehmen. Das sollte viel mehr fester Bestandteil von Bildung sein, sich in Teams gemeinsam in eine Materie zu vertiefen und ein gemeinsames Projekt anzustoßen.

Jörg: Und damit erreicht man am Ende vielleicht nicht nur die Schüler:innen, sondern begeistert auch die Lehrkräfte im Hintergrund, wenn sie sehen, mit welcher Begeisterung ihre Schüler:innen sich einem Thema widmen können.

Oliver: Das kann ich nur unterstützen. Wir haben eh schon Hürden bei der Vermittlung von MINT-Themen. Da stelle ich mir die Frage, ob ein kompetitiver Ansatz nicht sogar eine zusätzliche Schranke ist. Erfahrungen als Team zu machen, wie es bei der Science League der Fall ist, und damit schon früh in der Bildung zu beginnen, kann ein wertvoller alternativer Ansatz sein.

Patrick: Viel hat auch mit Motivation zu tun. Wenn ich einen Dozenten habe, der gut motivieren kann, dann können Menschen Dinge schaffen, die sie von sich selbst gar nicht erwartet hätten. Weil sie dachten, oder ihnen eingeredet wurde, dass sie es nicht können. Das ist mir in meinen Kursen auch immer sehr wichtig: Den Teilnehmenden zu vermitteln, dass sie hervorragende Dinge bauen und sich ausleben können und dabei über ihre Grenzen hinaus gehen können – egal, ob sie in der Schule schlecht in Mathe oder Naturwissenschaften sind.

Von der Theorie in die Praxis kommen

Gwendolyn: Das sind spannende Ansätze und ihr sprecht mir da absolut aus meiner „zdi-Seele“. Denn bei zdi.NRW geht es ja genau darum: praxisnahe Angebote zu machen, die für möglichst viele offen sind. Und wenn man es genau nimmt, steckt MINT ja eben überall in der Welt drin.

Patrick: Ich finde offene Themen und Fragestellungen für Projekte grundsätzlich super. Die jungen Menschen werden im Schulalltag schon genug geführt. Bei der Science League können sie sich wirklich entfalten und mit eigenen Methoden um die Ecke kommen. Klar ist dann nicht immer alles perfekt und die Herangehensweisen sind sehr unterschiedlich. Das macht die Bewertung der Ergebnisse etwas komplexer. Aber ich finde es super, in die Denkweise hinter den Ergebnissen einzutauchen und das zu berücksichtigen.

Petr: Eine weitere Möglichkeit, um von der Theorie wegzukommen, ist der Gamification-Ansatz. Dass man deutlich macht: MINT-Fächer sind keine Quälerei und keine bloße Theorie, sondern eine Spielerei. Wenn wir diese Botschaft rüberbringen können, dann ist viel gewonnen. Es muss einfach wieder mehr Spiel in den Unterricht.

Jörg: Ja genau. Ich denke, wir müssen von dem theoretischen Ansatz weg, den es an Schulen noch zu viel gibt und eine praktische Komponente hineinbringen. Noch besser kann es sein, die Thematiken schon in den Kindergärten zu verankern, bevor der Separationsprozess im Rahmen der Sozialisierung beginnt und die Mädchen sich von der Technik entfernen. Wir haben so einen großen Bedarf an Nachwuchskräften und das große Potenzial, was auf der weiblichen Seite existiert, wird nicht genutzt. Da können wir mit der MINT-Förderung dagegenhalten, wenn wir frühzeitig einsteigen.

MINT-Nachwuchsförderung und die Wirtschaft

Gwendolyn: Nachwuchsförderung ist ein gutes Stichwort. Was denkt ihr: An welchen Stellen sollte von Seite der Unternehmen und der Wirtschaft im Bereich Nachwuchsförderung investiert werden? Und ich meine nicht nur finanziell, sondern auch was Zeit, Motivation, Engagement angeht?

Petr: Es passiert zwar schon, aber eben noch nicht genug, dass die Wirtschaft in die Bereiche MINT-Bildung, Nachwuchsförderung und auch Integration einsteigt. Und zwar indem man auch dafür sorgt, dass lernschwache Schüler:innen, die keinen Zugang zu MINT haben, nicht ohne Abschluss von der Schule gehen. Ein Zugang zu Unternehmen kann dabei helfen, Perspektiven zu öffnen und klarzumachen: Hier habe ich eine Chance, wenn ich mich engagiere, wenn ich mich für die MINT-Fächer öffne und mich einbringe. So können wir es schaffen, die wichtigste Ressource, die wir haben, zu aktivieren.

Jörg: Für uns als Halbleiterunternehmen, das auch im Bereich erneuerbare Energien tätig ist, ist es natürlich essenziell, in die Förderung einzusteigen. Wir möchten entsprechende Angebote machen, um die Themen, die uns als Unternehmen beschäftigen, begreifbar zu machen. Auch was den Schulunterricht angeht, können Wirtschaft und Industrie mit entsprechenden Angeboten dazu beitragen, den Unterricht lebendiger zu gestalten und zu untermauern.

Patrick: Ich denke auch, man kann die Aufgabe nicht komplett den Schulen überlassen. Wenn man als Unternehmen fordert, kreative und motivierte Köpfe im MINT-Bereich beschäftigen zu wollen, dann ist es auf jeden Fall auch Aufgabe der Unternehmen sicherzustellen, dass es genügend Berührungspunkte gibt. Als Unternehmen hat man da ja auch ganz andere Möglichkeiten und kann so kreativ sein, wie es versicherungstechnisch eben möglich ist. Wir produzieren beispielsweise große Maschinen. Ich hätte kein Problem damit, Kinder im Rahmen eines Kurses diese Maschinen programmieren und ein bisschen herumfahren zu lassen. Im Unternehmen sieht man direkt die praktische Anwendung und sieht, was die Motivation hinter – in unserem Beispiel – Automatisierungstechnik ist.

Gute MINT-Förderung ist keine Einbahnstraße

Oliver: Bei uns am zdi-Zentrum BeST in Wuppertal gibt es ein Angebot, das sich ganz bewusst an Unternehmen richtet. Das läuft sehr erfolgreich und die Unternehmen der ersten Stunde sind – glaube ich zumindest – alle noch dabei. Diese Unternehmen sind aber alle inhabergeführte Familienunternehmen. Wir könnten uns viel Mühe sparen, wenn wir auch den managergeführten Konzernen klar machen könnten, dass dieser Spaß an der Sache, den die jungen Menschen bei solchen Angeboten haben, keine Einbahnstraße ist. Die Unternehmen profitieren am Ende auch davon. Wir müssen gleichzeitig aber auch aufpassen, dass wir die Kapazitäten bei den Unternehmen nicht mit zu vielen ähnlichen Projekten überstrapazieren.

Jörg: Da gebe ich Oliver Recht: Wenn wir die Kapazitäten überstrapazieren, dann haben am Ende nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Schulen ein Problem. Ich bin froh um jede engagierte Lehrkraft aus dem MINT-Bereich, die bereit ist, die Extrameile zu gehen. Diese dann mit einem Überangebot zu überfordern, ist nicht gut. Die Angebote müssen gut koordiniert sein.

Die Zukunft der zdi-Science League

Gwendolyn: Zum Abschluss möchte ich von euch gerne noch wissen: Wie gefällt es euch in der Science League-Jury und was wünscht ihr euch für die zdi-Science League?

Jörg: Es macht wirklich ungeheuren Spaß! Wir sind ja gerade in der Pilotphase der Science League und ich würde mir sehr wünschen, dass der Pilot erfolgreich abgeschlossen wird und eine Weiterführung erfährt.

Petr: Ich würde mir auch wünschen, dass sich durch eine erfolgreiche Pilotsaison die Motivation von Schulen noch vergrößert, sich zu beteiligen. Aktuell ist ja eine Schule besonders stark vertreten und ich fände es gut, wenn sich auch noch weitere Schulen und Lehrkräfte dafür begeistern lassen. Da wäre es dann wichtig, genau den Aufwand zu kommunizieren, damit die Teilnehmenden wissen, was auf sie zukommt. Das könnte dabei helfen, eine Hemmschwelle für die Teilnahme zu senken. Die Beiträge der Teams sind toll und ich freue mich aufs Finale.

Patrick: Ich freue mich auch schon auf die Abschlussveranstaltung und darauf, in den direkten Austausch mit den Teams gehen zu können. Ich hoffe sehr, dass alle Teams dabeibleiben und für sich selbst die Motivation finden, aus dem Wettbewerb etwas für den eigenen Alltag mitzunehmen. Ob sie beispielsweise eine Farming-App programmieren oder am eigenen Zuhause etwas aufrüsten.  

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Oliver: Dem kann ich mich nur anschließen. Bei mir ist es außerdem so: Dadurch, dass ich mich durch meine Arbeit immer auf einer strukturpolitischen Flughöhe befinde, erdet mich dieser Wettbewerb sehr schön und das tut mir selbst ganz gut.

Gwendolyn: Das Thema „erden“ passt ja auch super zum Thema „Urban Farming“! Vielen Dank für euren Input und wir sehen uns dann beim Finale der zdi-Science League.

Hier geht es zu den Interviews mit den restlichen zdi-Science League Juror:innen:

Screenshot der Gesprächsrunde zwischen Jenny Kociemba, Gwendolyn Paul und Elita Wiegand

Eilta Wiegand und Jenny Kociemba sprechen über ihre Aufgabe als Jurorinnen bei der Science League und darüber, wie Wettbewerbe nicht nur für MINT begeistern, sondern dabei auch MINT-Mädchen-Arbeit leisten können.

Gwendolyn Paul von der zdi-Landesgeschäftsstelle spricht mit Stefan und Philipp Lindner, den Gründern der Bonner Indoor Farm Urban Green, über Urban Framing und über ihre Aufgabe als Juroren bei der Science League.

Stefan und Philipp Lindner, den Gründern der Bonner Indoor Farm Urban Green, sprechen über Urban Framing und über ihre Aufgabe als Juroren bei der Science League.

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