Barbara Hagedorn ist Unternehmerin und führt zusammen mit ihrem Mann Thomas die Hagedorn Unternehmensgruppe, eines der größten Abbruchunternehmen der Welt und Rundum-Dienstleister in den Bereichen Rückbau, Entsorgung, Tiefbau und Flächenrevitalisierung. Sie selbst beschreibt sich als Mutter, Geschäftsführerin, Frontfrau, kontrollierter Wirbelwind, kommunikativ, ehrlich, herzlich und engagiert. zdi.NRW hat sich mit Barbara Hagedorn zum Gespräch getroffen und mit ihr über Frauen in der Baubranche, die unternehmerische Selbstständigkeit und Female Recruiting gesprochen.
Frau Hagedorn, im diesjährigen zdi-Heldinnen-Oktober stellen wir Unternehmerinnen aus dem MINT-Bereich vor. Was ist Ihre Geschichte? Wie sind Sie in der Baubranche gelandet?
Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und habe mich selbst mit 23 Jahren in der Reifenbranche selbstständig gemacht. Mein jetziger Mann hatte damals ein junges Unternehmen mit rund 15 Angestellten. Und irgendwann haben wir festgestellt, dass die Führung von zwei Unternehmen doch sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Dann hat er mich gefragt, ob ich bei ihm einsteigen möchte. Ich habe mich dafür entschieden und seitdem ergänzen wir uns super. Unser Unternehmenssitz war damals noch eine kleine Garage.
Ihnen wurde der Unternehmerinnengeist also in die Wiege gelegt. Was würden Sie anderen Frauen raten, die mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen?
Ganz klar: Das, was du tust, musst du mit Leidenschaft machen. Zwar ist die eigene Selbstständigkeit mit viel Arbeit verbunden, aber wer für seinen Job brennt, schafft das und hat viel Freude daran. Kinder, die das Unternehmen ihrer Eltern übernehmen müssen, obwohl sie andere Ziele verfolgen, werden hingegen auf Dauer nicht glücklich.
Sie scheinen sich als Frau in einem handwerklichen Unternehmen, in dem hauptsächlich Männer arbeiten, sehr wohlzufühlen. Ging Ihnen das schon immer so?
Als junge Unternehmerin in der Reifenbranche muss man sich schon ein wenig mehr beweisen, ganz klar. Ein Mann kann sagen, dass der Reifen rund und schwarz ist, als Frau muss man den Reifen erklären und auseinandernehmen können. Trotzdem hat es mir als Frau in einer männerdominierten Branche immer viel Spaß gemacht. Geht mir auch jetzt in der Baubranche so. Ich liebe das Handfeste, die ehrliche und direkte Sprache auf dem Bau. Leider gibt es nur zu wenig Frauen im Baugewerbe.
Unter dem Motto „Frau am Bau“ haben Sie eine reichweitenstarke und viel beachtete Kommunikationskampagne für mehr weiblichen Nachwuchs in der Baubranche gestartet. Wie kam es zu der Kampagne?
Auch bei uns sind Frauen nach wie vor in der Unterzahl, aber Fakt ist: Wir können es uns als Branche nicht länger leisten, für Frauen unattraktiv zu sein. Denn obwohl Bau und Abbruch boomt, wird es immer schwieriger, freie Stellen zu besetzen. Und weil weibliche Mitarbeitende kaum zu finden sind, muss man sich die eigenen Gewächse selbst heranzüchten, wie man so schön sagt. Aus den Gründen haben wir im vergangenen Jahr die „Frau am Bau“-Kampagne initiiert, um Mädchen und junge Frauen für eine gewerbliche Ausbildung bei Hagedorn zu gewinnen. Unser Ziel für 2021 war es, drei weibliche Auszubildende außerhalb der Verwaltung zu finden. Das haben wir geschafft und unser Ziel sogar übertroffen. In diesem Jahr haben vier junge Frauen ihre Ausbildung im gewerblichen Bereich bei uns begonnen. Drei angehende Baugeräteführerinnen und eine Tiefbaufacharbeiterin. In unserem Bereich hat man unheimlich gute Aufstiegsmöglichkeiten und auch die Verdienstmöglichkeiten sind meist besser als in typischen Frauenberufen, das wird oft vergessen.
Um die Kampagne weiterzuführen und auch anderen Unternehmen in der Region dabei zu helfen, weiblichen Nachwuchs zu finden, haben wir außerdem ein branchenweites Netzwerk gegründet. Mit gebündelten Kräften wollen wir Vorbilder schaffen, Vorurteile abbauen und Strukturen auf dem Bau verändern. Mittlerweile haben sich rund 30 Unternehmen dem Netzwerk angeschlossen. Gemeinsam haben wir Anfang August zusätzlich einen eigenen Instagram-Kanal gegründet, mit dem Namen „WIR.KÖNNEN.BAU“. Dort präsentieren sich Frauen aus der Branche, um so wiederrum auch andere Frauen für den Bau zu begeistern. Denn in unserer Umfrage kam Anfang des Jahres heraus: Mädchen und junge Frauen wünschen sich mehr Vorbilder.
Nicht nur die Baubranche, auch andere MINT-Branchen suchen händeringend nach Fachkräften. Was wäre ein erster Schritt für Unternehmen, um mehr weiblichen Nachwuchs zu rekrutieren?
Ich sage immer: Wir müssen nicht nur Berge auf der Baustelle versetzen, sondern auch in den Köpfen. Es ist das A und O, dass das gesamte Unternehmen dahintersteht und sich dem Thema widmet. Das kann ein langer Weg sein. Grundlegend müssen Unternehmen vor allem dazu bereit sein, im Betrieb etwas umzusetzen und zu verändern. Von allein rennen ihnen die Frauen nicht die Bude ein. Das eigene Umdenken ist der erste Schritt. Der Unternehmer oder die Unternehmerin selbst muss dahinterstehen und die Message senden: Ja, wir wollen mehr Frauen in unserem Betrieb. Das fängt damit an, dass man dafür sorgt, dass sich die Mitarbeitenden wohl fühlen. Man muss ihnen zuhören, ihre Arbeit anerkennen und wertschätzen. Damit lassen sich Mitarbeiterinnen langfristig ans Unternehmen binden. Auch kann es helfen, sich schon bei der Rekrutierung an jungen Leuten zu orientieren und sie mithilfe der Sprache miteinzubeziehen. Denn die richtige Ansprache kostet kein Geld. Als Unternehmen waren wir immer offen und mutig, etwas zu verändern. Das rate ich allen Firmen, die sich mehr weiblichen Nachwuchs wünschen.
Haben Sie weitere Tipps, wie Unternehmen junge Frauen besser ansprechen können?
Es kann hilfreich sein, sich mit anderen Unternehmen zusammen zu tun, zum Beispiel, indem man, wie wir, ein Netzwerk gründet. Es ist schön, zu erleben, dass so viele an einem Strang ziehen und der regelmäßige Austausch ist gewinnbringend für alle Beteiligten. Denn nur gemeinsam können wir etwas bewegen und den Strukturwandel weiter vorantreiben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Interviews und Portraits mit MINT-Unternehmerinnen finden Sie hier: Der zdi-Heldinnen-Oktober 2021: MINT-Unternehmerinnen im Fokus