Wer an Nachhaltigkeit und Raumfahrt denkt, der denkt vermutlich zuerst an die 130 Millionen kleinen Teile, die als Weltraummüll die Erde umkreisen. Oder an die 640 Tonnen CO2, die pro (versuchtem) Raketenstart in der Atmosphäre landen. Das Thema des Wissenschaftsjahrs 2023 ist „Unser Universum“ und stellt unter anderem die Frage: „Wie sieht die Zukunft unseres Planeten aus und wie können wir unseren Lebensraum schützen?“. Die Antwort: Indem wir in allen Bereichen – auch bei der Erkundung dieses Universums – auf Nachhaltigkeit achten.
Die Raumfahrt ist derzeit in vielen Bereichen noch nicht besonders nachhaltig, da sie eine Vielzahl von Umweltbelastungen verursacht. Hier sind einige Gründe dafür:
- Treibhausgasemissionen: Die Raketenstarts und -landungen verursachen große Mengen an Treibhausgasemissionen. Insbesondere das Raketenkerosin, das als Treibstoff verwendet wird, setzt bei der Verbrennung große Mengen an Kohlenstoffdioxid, Rußpartikeln und anderen Schadstoffen frei.
- Ressourcenverbrauch: Die Herstellung von Raketen und Raumfahrzeugen erfordert eine Vielzahl von Materialien und Ressourcen. Insbesondere seltene Erden und andere Metalle werden für die Herstellung von Elektronik und anderen Bauteilen benötigt, die in der Raumfahrt eingesetzt werden. Der Bergbau und die Gewinnung dieser Materialien können zu Umweltzerstörung und sozialen Problemen führen.
- Weltraumschrott: Die Raumfahrt hat auch dazu beigetragen, dass immer mehr Schrott im Weltraum entsteht. Veraltete Satelliten und Teile von Raketen bleiben oft in der Umlaufbahn und können zu Kollisionen führen, die wiederum noch mehr Schrott erzeugen.
Allerdings gibt es auch Bemühungen, die Raumfahrt nachhaltiger zu gestalten. Ein Beispiel ist die Entwicklung von wiederverwertbaren Raketen und Raumfahrzeugen, um den Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Es gibt auch Initiativen zur Beseitigung von Weltraumschrott und zur Förderung einer verantwortungsvollen Nutzung des Weltraums.
Nachhaltigkeit – mehr als nur Umweltschutz
Auf den ersten Blick ist die Raumfahrt derzeit noch nicht besonders nachhaltig. Allerdings macht die Arbeit der Forscher:innen in Weltraumorganisationen viele nachhaltige Entwicklungen erst möglich: Von der Beobachtung der Atmosphäre und des Klimas über den Zugang zum Internet in ländlichen Regionen bis hin zur Entwicklung neuer Materialien und besserer Energiespeicherung. Wir brauchen die Raumfahrt, um in vielen Bereichen nachhaltiger zu werden.
Nachhaltigkeit ist ein Konzept, das sich auf die Fähigkeit bezieht, menschliche Bedürfnisse im Einklang mit den natürlichen Ressourcen und der Umwelt zu erfüllen, ohne dabei die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen.
Umweltschutz ist ein wichtiger Bestandteil von Nachhaltigkeit. Bei Nachhaltigkeit geht es aber um mehr als nur den Schutz der Umwelt. Es geht auch um die Förderung sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Stabilität.
In Bezug auf soziale Gerechtigkeit bedeutet Nachhaltigkeit, dass alle Menschen Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung, Bildung und angemessener Unterkunft haben sollten. Es geht darum, sicherzustellen, dass niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seiner wirtschaftlichen Situation benachteiligt wird.
In Bezug auf wirtschaftliche Stabilität bedeutet Nachhaltigkeit, dass wir eine Wirtschaft schaffen sollten, die langfristig lebensfähig ist. Das bedeutet, dass wir Wirtschaftssysteme aufbauen sollten, die nicht nur auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet sind, sondern auch auf langfristige Nachhaltigkeit und Stabilität.
Ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit ist auch die Förderung von kultureller Vielfalt und des kulturellen Erbes. Dies umfasst die Anerkennung und Wertschätzung verschiedener Kulturen und Traditionen und die Förderung eines respektvollen Umgangs mit ihnen.
Um Nachhaltigkeit auf all diesen Ebenen zu erreichen und Fortschritte zu messen, gibt es die SDGs.
Was sind die SDGs?
Die „Sustainable Development Goals“, kurz: SDGs, sind die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedet haben. Ziel ist, eine bessere Zukunft für alle Menschen und den Planeten zu schaffen. Die SDGs sollen dazu beitragen, Armut zu beenden, die Umwelt zu schützen, den Klimawandel zu bekämpfen, Gesundheit und Bildung zu verbessern, Ungleichheiten zu reduzieren und eine friedlichere und gerechtere Welt aufzubauen. Wenn wir diese Ziele erreichen, können wir sicherstellen, dass wir eine bessere Welt für uns und zukünftige Generationen hinterlassen.
ESA und Nachhaltigkeit
In welchen Aspekten Raumfahrt sehr wohl nachhaltig sein kann, wird am Beispiel der European Space Agency (ESA) deutlich. Sie hat all ihre Projekte, die zur Erreichung der SDGs beitragen, aufgelistet. Wir haben uns vier der 17 Ziele genauer angeschaut. Auch zdi.NRW kann sich mit diesen Zielen identifizieren und möchte dazu beitragen, sie zu erreichen.
4. Hochwertige Bildung: Gleichberechtigte und hochwertige Bildung für alle fördern.
Dieses SDG fordert den gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu erschwinglicher und qualitativ hochwertiger fachlicher, beruflicher sowie Hochschulbildung. Dabei gilt es, zukunftsfähige Bildungsangebote zu gestalten, die Menschen dazu befähigen, Veränderungen und Herausforderungen mitzugestalten: Also nicht allein theoretisches Wissen zu kennen, sondern dieses Wissen auch in der Praxis auszuprobieren und weiterzuentwickeln.
Die ESA hat mit esa Kids eine Plattform geschaffen, bei der die Jüngsten sich mit Themen rund um das Weltall beschäftigen. Spielerisch und auf sechs Sprachen wird dort in Videos, Minispielen und Experimenten erklärt, wie Astronaut:innen sich in der Raumstation fit halten, was ein schwarzes Loch ist, oder wie man Weltraumschrott einsammelt. In Deutschland kooperieren die ESA und das DLR (Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt) um mit ESERO Germany das Weltall ins Klassenzimmer zu bringen.
Auch die zdi-Community setzt sich für gleichberechtigte Bildung ein. Ein Beispiel dafür sind die zdi-BSO-MINT-Kurse, die von zdi-Akteur:innen in ganz NRW angeboten werden und die über die zdi-Community-Plattform gebucht werden können. Dabei trägt unter anderem das Abbauen von Sprachbarrieren zur Bildungsgerechtigkeit bei.
5. Geschlechter-Gleichheit: Geschlechtergleichstellung und Stärkung von Frauen und Mädchen erreichen.
Das Nachhaltigkeitsziel der Geschlechtergleichstellung will alle Formen der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen beenden. Der Zugang zu wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen soll unabhängig von Geschlecht gewährleistet sein. Dabei wird auch die gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit von Frauen bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung und in allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert.
Physik, Ingenieurswesen, Chemie, Medizin – Astronaut:in zu werden, bedeutet Allround-Wissenschaftler:in zu sein. Wer nicht selbst ins Weltall reisen möchte, kann die entsprechende MINT-Expertise bei der Erforschung von Schwarzen Löchern oder bei der Entwicklung von Systemen, die CO2 aus der Luft filtern, einbringen. Genau diese Interdisziplinarität und Anwendungsorientierung sind es, die die Raumfahrt für viele junge Frauen so interessant macht. Warum Frauen bei der ESA sich für MINT entschieden haben, erzählen sie hier.
Während zdi-Kurse einen stabilen Mädchenanteil von etwa 45 Prozent haben, sind Frauen in MINT-Studiengängen mit 34,5 Prozent (Stand: 2021) noch unterrepräsentiert. Um das zu ändern und Mädchen in ihrer MINT-Begeisterung zu stärken, stellen wir jedes Jahr im Oktober Mädchen und junge Frauen in den Fokus mit dem zdi-Heldinnen-Oktober. Gemeinsam mit Schülerinnen haben wir im vergangenen Jahr außerdem 6 Tipps für die MINT-Mädchen-Arbeit entwickelt.
9. Industrie, Innovation und Infrastruktur: Infrastruktur und Innovation fördern, um eine nachhaltige Industrialisierung zu erreichen.
Dieses Nachhaltigkeitsziel fordert nachhaltige und widerstandsfähige Infrastrukturen. Außerdem adressiert es Industrien, die umweltverträgliche Prozesse etablieren, Ressourcen effizient und in Kreisläufen verwenden und saubere Technologien nutzen bzw. selbst entwickeln. SDG 9 fordert dafür eine entsprechende Verbesserung der wissenschaftlichen Forschung und die Förderung von Innovationen.
Die ESA ist hier vor allem im Bereich Infrastruktur sehr aktiv. Mit verschiedenen Satteliten überwacht und misst sie das Weltraumwetter, um Voraussagen treffen zu können – zum Beispiel Solarstürme. Denn Weltraumwetter kann Schäden und Störungen in Stromverteilungsnetzen, eine verstärkte Korrosion von Pipelines und eine Beeinträchtigung der Funkkommunikation verursachen. Außerdem überwacht sie mit dem European Rail Traffic Management System (ERTMS) den Bahnverkehr in Europa und ermöglicht gemeinsam mit ihren Partner:innen, dass Menschen in den entlegensten Ecken Afrikas in kleinen Finanzbüros, die über Satellit miteinander verbunden sind, Geld überweisen oder abheben können.
zdi steht für „Zukunft durch Innovation“. Da liegt es auf der Hand, welcher Bereich der zdi-Community sehr wichtig ist. In den Angeboten der zdi-Netzwerke und Schüler:innenlabore werden neuste Technologien und Forschungsthemen wie Quantencomputer, Wasserstoffantriebe, Gentechnik, Nanotechnologie, KI oder VR aufgegriffen. Jedes Jahr steht zudem unter einem neuen Fokusthema. In diesem Jahr ist es Nachhaltige Energiewirtschaft.
17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele: Die Umsetzung der Ziele erfordert globale Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft.
Umweltpolitik engagiert sich in internationalen Partnerschaften, innerhalb derer gegenseitige Verständigung, Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer Raum haben sowie konkrete Projekte und dauerhafte Strukturen der Kooperation unterstützt werden. Nur wenn wir zusammen an den 16 anderen SDGs arbeiten, haben wir eine Chance sie auch umzusetzen.
Die ESA würde es ohne starke Partnerschaften gar nicht geben. Neben den 22 Mitgliedsstaaten und den fünf assoziierten Mitgliedsstaaten kooperiert die ESA mit vier weiteren Ländern bei zahlreichen Projekten und arbeitet mit anderen Weltraumorganisationen, wie der NASA, und mit verschiedenen Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen zusammen.
Ohne Partnerschaften wäre die zdi-Community nie so groß geworden, wie sie es heute ist. Mit über 5.000 Partnerschaften mit Akteur:innen wie Universitäten, Wirtschaftsförderungen, Unternehmen, Vereinen, Schulen und Ministerien ist zdi.NRW das europaweit das größte Netzwerk zur Förderung des MINT-Nachwuchses. Der Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen den zdi-Akteur:innen sind ein wichtiger Bestandteil innerhalb der zdi-Community. Mehr über die zdi-Netzwerke und -Schüler:innenlabore erfahren Sie hier:
Mehr Nachhaltigkeit in der Raumfahrt
Natürlich trägt die Arbeit der ESA auch zur Erreichung der anderen SDGs bei. Hier eine kleine Auswahl der SDGs mit den zugehörigen Themenbereichen, mit denen sie für mehr Nachhaltigkeit sorgen.
- Recycling von Wasser
- Geschlossene Kreislaufsysteme
- Überwachung der Wasserqualität
- Solarenergie
- Energieforschung
- Leben auf der ISS/Concordia
- Luftqualität
- Verkehrssysteme
- Recycling
- Geschlossene Kreislaufsysteme
- Forschung in der Arktis/Antarktis
- Überwachung der Eisschilde
- Initiative zum Klimawandel
- Wüstenbildung
- Verfolgung von Meerestieren mit Satelliten
- Nachhaltige Fischerei
- Bodenfeuchte und Salzgehalt der Ozeane
- Forstwirtschaft/Abholzung
- Biologische Vielfalt
- Erkennung von Landnutzung
- Waldbrände
Quellen
Mehr dazu, wie die ESA zur Erreichung der SDGs beiträgt: ESA and the Sustainable Development Goals
Mehr Informationen zu den SDGs allgemein, finden Sie hier: THE 17 GOALS und Ziele für Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030 der UN (17ziele.de)