Unter der Lupe: Unternehmerinnen im MINT-Bereich

Frauen sind im Unternehmer:innentum unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu wenige Rollenvorbilder, schwieriger Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, ungünstige politische Rahmenbedingungen. Doch gerade die Selbstständigkeit bietet Frauen zahlreiche Vorteile – auch und vor allem im MINT-Bereich. Ein Themendossier.

Ob Informatikstudium, Metalltechnikausbildung oder Physik-LK – viele MINT-Disziplinen leiden an einem Mangel an weiblichen Nachwuchskräften. Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sprechen für sich: Nur 15,4 % der Beschäftigten in MINT-Berufen sind Frauen. Mit Blick auf die sich stetig vergrößernde Fachkräftelücke wird deutlich, dass hier ein enormes Potenzial verloren geht. Verloren geht auch die weibliche Perspektive in Bezug auf MINT und das Unternehmer:innentum für unsere gesamte Gesellschaft.

Es keinesfalls so, dass sich Mädchen und Frauen weniger für MINT-Themen interessieren. In der Schule sind Mädchen mindestens genauso gut in MINT-Fächern wie Jungs. Doch viele Mädchen haben in Bezug auf MINT weniger Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – ausgelöst durch ganz unterschiedliche Gründe. Dieses geringere Selbstvertrauen der Schülerinnen wirkt sich auf die Leistungskurs-, Ausbildungs- und Studienwahl aus. In einem früheren Themendossier hat zdi.NRW die Kulturgeschichte der Frauen in der Wissenschaft unter die Lupe genommen, um sich einer Antwort auf die Frage nach dem fehlenden Selbstvertrauen von talentierten MINT-interessierten Mädchen zu nähern. In dem aktuellen Beitrag wird das Thema mit Blick auf die unternehmerische Selbstständigkeit von MINT-Frauen weitergedacht.

MINT-Wissen vermitteln, Selbstvertrauen stärken

Die zdi-Netzwerke und zdi-Schülerlabore gehen die Mädchen-MINT-Arbeit aktiv an. Die Dozent:innen vermitteln den Teilnehmerinnen nicht nur MINT-Kompetenzen, sondern ebenfalls das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ein gesundes Selbstbewusstsein durch die kreative und praktische Arbeit im Team.

Die Sichtbarkeit von weiblichen MINT-Vorbildern nimmt eine zentrale Rolle ein bei der Unterstützung junger Frauen auf ihrem Weg in die MINT-Berufswelt. Solange Frauen im MINT-Bereich keine sichtbare Normalität sind, ist die Wahl eines MINT-Berufes mit der Überwindung von Grenzen konnotiert. Dies kann abschreckend auf Mädchen und junge Frauen wirken. Damit Frauen in MINT zukünftig als Normalität angesehen werden, hat zdi.NRW vor einigen Jahren den zdi-Heldinnen-Oktober ins Leben gerufen.

Der zdi-Heldinnen-Oktober ist eine Kommunikationskampagne, in der Frauen in MINT im Mittelpunkt stehen. Weit mehr als hundert Frauen aus den unterschiedlichsten MINT-Disziplinen haben sich seitdem auf dem zdi-Portal und in den Sozialen Medien vorgestellt. Hier teilen sie Jahr für Jahr ihre Erfahrungen und Tipps, ihre Zukunftswünsche und Träume mit der MINT-Community und veranschaulichen, dass es keine Seltenheit ist, dass MINT Beruf und Berufung zugleich ist. In diesem Jahr geht der zdi-Heldinnen-Oktober in die dritte Runde. Los geht’s am 1. Oktober 2021.

Nicht nur zdi.NRW als landesweit agierende Gemeinschaftsoffensive setzt sich aktiv für die Förderung von Mädchen und Frauen in MINT ein, auch auf bundesweiter Ebene werden wichtige Impulse gesetzt, wie aktuell mit der MINT-Vernetzungsstelle Deutschland, kurz MINTvernetzt, die im Mai dieses Jahres die Arbeit aufgenommen hat. Ein wichtiger Teil von MINTvernetzt ist u.a. der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Gender-Forschung in die Praxis.

MINT-Unternehmerinnen sind heiß begehrt

Die jungen Frauen, die sich für ein MINT-Studium oder eine MINT-Ausbildung entscheiden, schwärmen von tollen Kolleg:innen oder Kommiliton:innen, einer sinnstiftenden und vielfältigen Tätigkeit und einem guten Gehalt. MINT-Berufe sind zu großen Teilen praktisch ausgerichtet, wodurch selten Langeweile entsteht. 

Eine Möglichkeit, noch tiefer in die MINT-Welt einzutauchen und sich selbst zu verwirklichen, ist der Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit. Ob als Dachdeckerin, als Textiltechnikerin oder im IT-Bereich, ob in der MINT-Bildung, als Technologieberaterin oder als freiberufliche Mathematikerin – der MINT-Bereich beinhaltet zahlreiche spannende Berufsfelder, in denen sich eine Selbstständigkeit anbietet. Und in denen gut ausgebildete und motivierte Fachfrauen dringend benötigt werden. Sei es als Gründerin eines neuen MINT-Unternehmens oder als Nachfolge in einem bestehenden Unternehmen.  

>> Im zdi-Heldinnen-Oktober stellen wir hier jede Woche eine Unternehmerin aus dem MINT-Bereich vor. Im Rahmen von Interviews und Gesprächen berichten sie uns von Ihren Eindrücken und Erfahrungen mit der Selbstständigkeit. <<

Die Vorteile der Selbstständigkeit sind nicht von der Hand zu weisen: Mehr Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort und die Arbeitszeiten und dadurch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Umsetzung eigener Ideen und die Möglichkeiten der unabhängigen Entscheidungsfindung und Eigenverantwortlichkeit.

Trotz aller Vorteile finden nach wie vor weniger Frauen als Männer den Weg in die Selbstständigkeit. Nur jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau geführt, im MINT-Bereich sind es laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sogar noch weniger. Die damit verbundene Unsichtbarkeit von Frauen und Unternehmerinnen im MINT-Bereich ist ein Grund dafür, weshalb viele Frauen das Thema Selbstständigkeit im wahrsten Sinne des Wortes nicht vor Augen haben.

Sind keine MINT-Unternehmerinnen sichtbar, bleibt in den Köpfen des MINT-Nachwuchses das Bild des Unternehmers präsent, nicht das der Unternehmerin. Die Option der Unternehmensgründung wird auch aus diesem Grund von vielen Frauen im MINT-Bereich nicht in Betracht gezogen. Doch gerade die Selbstständigkeit im MINT-Bereich lohnt sich: Dem Handelsblatt zufolge gehören 41 der 50 wachstumsstärksten mittelständischen Unternehmen Deutschlands dem MINT-Bereich an.

Offene Fragen finden Antworten

Doch wie starte ich erfolgreich in die Selbstständigkeit? Wo bekomme ich Startkapital her? Lässt sich die eigene Firma mit meiner Familienplanung vereinbaren? Wer hilft mir, wenn ich mal nicht weiterweiß? Frauen, die sich für die unternehmerische Selbstständigkeit interessieren, sehen sich mit offenen Fragezeichen konfrontiert und klagen über suboptimale Bedingungen für eine Gründung. Vom bürokratischen und aufwendigen Finanzierungsprozess bis hin zur problematischen Investor:innensuche – oftmals fehlt den Frauen Unterstützung bei der Gründung ihres eigenen Unternehmens.

Aus diesem Grund haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen und Unternehmen gegründet, die Frauen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen. „Das Gründerinnenpotenzial in Deutschland ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, beklagt auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Mangel an Unternehmerinnen und startet 2014 die Initiative „FRAUEN unternehmen“. Ziel ist es, Frauen den Weg in die Selbstständigkeit aufzuzeigen und Mädchen das Berufsbild der Unternehmerin nahezubringen. Kernelement der Initiative: Vorbild-Unternehmerinnen sichtbar machen, role models anbieten, Mentorinnen vermitteln.

Deutschlandweit setzt sich der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) seit bald 70 Jahren dafür ein, mehr Frauen für die unternehmerische Selbständigkeit zu gewinnen und Unternehmerinnen eine starke Stimme in Gesellschaft und Politik zu verleihen. Mit dem VdU ist auch zdi.NRW verbunden: Gemeinsam wird daran gearbeitet, mehr Mädchen und Frauen für MINT und das Unternehmerinnendasein zu begeistern.

Früh für MINT begeistern und die Möglichkeit der Selbstständigkeit aufzeigen

Um Mädchen frühzeitig die Normalität von Frauen im MINT-Bereich aufzuzeigen, bietet sich eine Zusammenarbeit von Schulen mit den außerschulischen Lernorten in NRW an. Die zdi-Netzwerke arbeiten seit Jahren eng mit hunderten Unternehmen zusammen, von denen einige von Frauen geführt werden. Mädchen und junge Frauen lernen die Unternehmerinnen in zdi-Kursen oder bei Veranstaltungen kennen. Die Unternehmerinnen berichten von ihrem Werdegang und ihrem Arbeitsalltag und zeigen Ausbildungsmöglichkeiten in ihrem Unternehmen auf. MINT-Facharbeiterinnen gehen ganz praktischen Tätigkeiten nach, die auf ein bestimmtes Ergebnis hinführen. Gerade für Mädchen und Frauen, denen die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit und ein positiver Effekt für die Gesellschaft wichtig sind, sind Ausbildungsberufe im MINT-Bereich interessant.

Die zdi-Netzwerke sind stets auf der Suche nach regionalen Unternehmen, mit denen sie spannende MINT-Kurse umsetzen können. Sie sind Unternehmerin im MINT-Bereich und wollen ein  Vorbild für Mädchen und jungen Frauen sein?

Hier finden Sie zdi-Netzwerke in Ihrer Region.

Viele der zdi-Netzwerke bieten MINT-Kurse und MINT-Workshops für ganze Klassen an. Im zdi-Heldinnen-Oktober werden vermehrt gendersensible Kurse angeboten, um vor allem Mädchen mit den Angeboten abzuholen.

Das Angebot gendersensibler MINT-Kurse und die Sichtbarkeit weiblicher Rollenvorbilder sind zentrale Bausteine, um Mädchen und Frauen in ihrem Interesse an MINT und ihrem Wunsch nach Selbstständigkeit zu bestärken. Diversität in MINT führt zu einer starken und zukunftsfähigen Gesellschaft mit vielfältigen Perspektiven.

Deswegen setzen wir uns bei zdi.NRW seit mehr als 15 Jahren für die Förderung von Mädchen und jungen Frauen im MINT-Bereich ein.  

Hier erfahren Sie alles darüber, wie sich zdi.NRW für mehr Mädchen und junge Frauen in MINT engagiert: www.zdi-portal.de/zdi-heldinnen

Hier finden Sie Hinweise zur verwendeten Literatur sowie Empfehlungen:

Bundesagentur für Arbeit (2019): Blickpunkt Arbeitsmarkt. MINT-Berufe, PDF.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2019): FRAUEN unternehmen, Link.

Tandrayen-Ragoobur, V. & Gokulsing, D. (2021): Gender gap in STEM education and career choices: what matters? In: Journal of Applied Research in Higher Education, vor Veröffentlichung.

Schulte, Andreas (2020): Das sind Deutschlands 100 wachstumsstärkste Mittelständler, in: Handelsblatt, Link.

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