Unter der Lupe: Nachhaltige Energiewirtschaft

Bis zum Jahr 2045 will Deutschland weitgehend klimaneutral wirtschaften. Energie muss dann hauptsächlich aus regenerativen Quellen wie Wind- und Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie oder nachwachsenden Rohstoffen bezogen werden. Außerdem gilt es, den Energieverbrauch durch eine sparsame und effiziente Nutzung der Energie zu senken. Derzeit kann keine der nachhaltigen Energiequellen die jetzige Energieversorgung, die hauptsächlich aus fossilen Brennstoffen gespeist wird, ablösen. Daher liegt die Zukunft in einem intelligent verzahnten Mix von erneuerbaren Energien. Wie kann das gelingen und welchen Herausforderungen muss eine nachhaltige Energiewirtschaft mit ihren vielen Sektoren bewältigen?

Energiewirtschaft in Deutschland und NRW

In Deutschland dominieren fossile Brennstoffe wie Erdgas, Erdöl und Kohle den Markt der Energie-versorgung. Bei privaten Haushalten ist der Anteil besonders hoch.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in den kommenden Jahren drastisch zu erhöhen. Bis zum Jahr 2030 soll ein Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch erreicht werden. Bei der geplanten Energiewende der Bundesregierung sollen die Windenergie und die Energie aus Photovoltaikanlagen am Ende den Hauptanteil ausmachen.

Und es gibt bereits positive Entwicklungen: So wird beispielsweise rund 45 Prozent des Stroms, der über das Stromnetz den Weg in die Haushalte findet, hierzulande inzwischen von Solarzellen, Windrädern und anderen erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Damit hat sich der Anteil grünen Stroms im deutschen Netz in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Energiewirtschaft umfasst alle Bereiche der Gewinnung und der Verteilung von Energie (Stadtgas, Erdgas, flüssige Kraftstoffe, elektrischer Energie, Fernwärme, Öl und feste Energieträger wie Kohle, Koks, Torf und Holz). Die nachhaltige Energiewirtschaft hat die Aufgabe, die Energieversorgung nach und nach auf erneuerbare Energien umzustellen. Erneuerbare Energien, auch alternative oder regenerative Energien genannt, sind die Energieformen, die unbegrenzt zur Verfügung stehen. Dazu gehören: Biomasse, Erdwärme, Sonne, Wasser und Wind.

Wie steht es um nachhaltige Energiewirtschaft in NRW?

Nordrhein-Westfalen setzt bei der Energiewende ebenfalls auf Wind und Sonne. Biomasse und Wasserkraft gehören dazu, denn sie sind genauso flexibel einsetzbar und netzdienlich, um einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung zu leisten.

Ein starkes Wachstum bei der Energiewende in NRW verzeichnet grüner Wasserstoff – besonders bei der energieverzehrenden Industrie im Ruhrgebiet. Mit dem Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert wurde das Ruhrgebiet zu einem Zentrum der Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Brennstoffen und der Schwerindustrie. Viele der damals gegründeten Unternehmen sind auch heute noch im Ruhrgebiet aktiv. Aber sie müssen ihre Produktion nun anpassen. Ein Beispiel ist das Duisburger Werk von Thyssenkrupp mit einem CO₂-Ausstoß von 20 Mio. Tonnen pro Jahr. Das macht 2,5 Prozent der deutschen Gesamt-Emission aus. Daher hat sich Thyssenkrupp vorgenommen, die eigene Stahlproduktion mithilfe von Wasserstoff grundlegend zu transformieren und bis 2050 ausschließlich klimaneutralen Stahl herzustellen.

Das Ruhrgebiet ist Vorreiter der Wasserstoff-Transformation und zählt die meisten Start-Ups in diesem Sektor in Deutschland. NRW und Bayern vereinen über die Hälfte dieser Unternehmen auf sich – dabei stechen das Ruhrgebiet und der Raum München als Cluster deutlich hervor.

Allerdings ist Wasserstoff momentan noch teuer. Eine Kilowattstunde Wasserstoff kostete Anfang 2022 16,5 Cent. Zum Vergleich: Kerosin und Diesel kosten circa 4 Cent. Kohle etwa 1,5 Cent. Experten rechnen damit, dass der Wasserstoffpreis bis 2030 auf 7 Cent fällt.

Power-to-Gas, KI, grüner Wasserstoff & Co. – Potenziale und Herausforderungen

Viele verschiedene Technologien und physikalische Verfahren kommen bei der Gewinnung und Verteilung umweltfreundlicher Energien zum Einsatz. Dabei werden traditionelle Verfahren durch neue Technologien ergänzt und verbessert.

Übertragungsleitungen

Damit Öko-Strom zügig und sicher dorthin gelangt, wo er gebraucht wird, muss das Stromnetz schnell und zuverlässig sein. Vor allem die Übertragungsnetze sind wichtig, um die Versorgung aller Regionen in Deutschland mit ausreichend grünem Strom sicherzustellen. Mit sogenannten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) können zum Beispiel großen Mengen Windstrom aus dem Norden in den Süden geleitet werden.

Künstliche Intelligenz (KI)

Eine Grafik zeigt auf einer Seite ein Gehirn, auf der anderen Seite ein Elektronen-Netzwerk. Sie steht symbolisch für künstliche Intelligenz.

Die vielen Teile des Energiesystems müssen intelligent miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt werden. Daher kommt immer häufiger Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz – beispielsweise bei der Steuerung von Stromnetzen und dem Zusammenwachsen der Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr. Damit kann die Versorgungssicherheit noch besser gewährleistet werden. Außerdem übernimmt KI auch den Schutz vor Cyberattacken.

Ein Beispiel aus der Energiewirtschaft sind Smart-Grids. Das sind intelligente Stromnetze, welche die Erzeugung, die Speicherung und den Verbrauch von Energie kombinieren. Mit der Energiewende werden erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft aus dezentraler Erzeugung in unser Stromnetz integriert. Grüne Energiequellen erzeugen jedoch nicht konstant die gleiche Menge Energie, wie das Kohle- oder Atomkraftwerke tun – sie sind wesentlich unbeständiger. KI ist in der Lage, die schwankende Energiezufuhr und die Stromversorgung im Netz intelligent zu regeln.

Künstliche Intelligenz (KI), auch artifizielle Intelligenz (AI), ist ein Teilgebiet der Informatik. KI befasst sich hauptsächlich mit der Automatisierung von intelligentem Verhalten und maschinellem Lernen. Statt für jeden Zweck programmiert zu werden, kann eine KI eigenständig Antworten finden und selbstständig Probleme lösen. Sie lernt eigenständig aus den ihr vorliegenden Daten – was sie lernt, wird dabei von Menschen vorher bestimmt, indem er die KI designt.

Power-to-X-Technologien

Erneuerbare Energie muss aber nicht unbedingt in Form von elektrischem Strom transportiert werden. Fachleute verfolgen mithilfe der sogenannten Sektorkopplung neben der direkten Nutzung von Strom in Verkehrs-, Wärme- und Industriesektoren den Ansatz, Öko-Strom in andere Energieformen umzuwandeln. Dabei kommen Power-to-X-Technologien zum Einsatz, die grünen Strom in andere Energiearten umwandelt. Das heißt, grüner Strom wird wahlweise in einen flüssigen Kraftstoff (Power-to-Liquid), in Wärme oder Kälte (Power-to-Heat/-Cold) oder in ein Gas (Power-to-Gas) umgewandelt. Dies nennt man auch Rückverstromung.

Grüner Wasserstoff

Eine vielversprechende Technologie um Öko-Strom nutzbar zu machen, ist die sogenannte Wasserelektrolyse. Hierbei wird Wasser mittels elektrischen Stroms in seine elementaren Bausteine Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Wird für diesen Spaltungsvorgang grüner Strom genutzt, spricht man von grünem Wasserstoff. Der gasförmige Wasserstoff wird anschließend in großen Druckbehältern gesammelt und kann dort oder in unterirdischen Hohlräumen (Kavernen) über viele Monate aufbewahrt werden.

Innovationsbedarf bei der Lagerung und dem Transport

Die vielen technischen Möglichkeiten zur nachhaltigen Energiegewinnung und -verteilung sind vielversprechend.
Dennoch gibt es beim Transport und bei der Lagerung der verschiedenen Energiequellen noch Innovationsbedarf. Viele Verfahren sind derzeit sehr kostspielig oder befinden sich im Entwicklungsstadium.

Energiespeicher

Im Bereich der nachhaltigen Energiewirtschaft ist die Speicherung der gewonnenen grünen Energie von großer Bedeutung. Sie sorgen für einen Ausgleich zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch der Energie. Das betrifft besonders die Wind- und Sonnenenergie, denn diese ist von der Wetterlage abhängig. Und Verbraucher:innen brauchen auch dann Strom, wenn es nicht windig oder sonnig ist.

Die Forschung und Entwicklung fokussiert sich dabei besonders auf die Erhöhung der Energiedichte und Verkleinerung der Speicherverluste in Stromspeichern. Das betrifft sowohl Batterien im Haushalt als auch riesige Speicher im Mega-Watt-Bereich, die Kurzzeit- und Langzeitspeicher.
Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich z.B. mit einem hybriden Speichersystem, der Vanadium-Redox-Flow-Batterie (die größte Batterie der Welt), oder der Wirtschaftlichkeit von Speichermethoden. Das Land NRW hat dazu eigens eine Initiative gegründet, die Energieforschungsinitiative.NRW.

Transport von grünem Wasserstoff

Wasserstoff ist hochreaktiv und leicht entzündlich. Seine Moleküle sind so klein und mobil, dass sie durch Kunststoffe, Glas und sogar Metalle hindurch diffundieren können. Gasleitungen und Transportbehälter können auf Dauer Schaden nehmen, wenn sie regelmäßig mit Wasserstoffteilchen in Berührung kommen. Es braucht also ein flächendeckendes Leitungsnetz, das große Mengen Wasserstoff über weite Strecken sicher transportieren kann.

Politische und gesellschaftliche Herausforderungen

Neben den technologischen Herausforderungen, müssen die verschiedenen Anwendungen der Erneuerbaren Energien auch überzeugend kommuniziert werden, um in der Gesellschaft angenommen zu werden. Denn ohne Akzeptanz bei der Bevölkerung und den Unternehmen, kann die Transformation des Energiesystems oder seiner Teilsysteme nur schleppend vorangehen. Dies sieht man zum Beispiel bei der Gewinnung von Windenergie. Die wichtigsten Hindernisse im Überblick:

  • Bei der Raumplanung sind zu wenig Flächen ausgewiesen und gesichert.
  • Gesetzliche Bestimmungen zu Abständen zwischen Windenergieanlagen und Wohnnutzungen führen zu Verzögerung oder Einstampfung von Projekten.
  • Fehlende Standards im Natur- und Artenschutz führen zu Rechtsunsicherheiten.
  • Planungs- und Zulassungsverfahren für Windenergieanlagen sind fehleranfällig und langwierig.
  • Regionen profitieren nicht ausreichend von der Energiewende, was zu weniger Akzeptanz vor Ort führt.
  • Förderverfahren von Land und Bund sind nicht beständig.

Nachhaltige Energiewirtschaft ist zdi-Jahresthema 2023

Fachkräftebedarf in der Energiewirtschaft

Um die Energiewende zu meistern, braucht Deutschland jede Menge Fachkräfte. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, kurz KOFA, untersuchte in einer Studie (November 2022), welche Berufe für den Ausbau der Solar- und Windenergie notwendig sind, und wie die Fachkräftesituation aktuell in diesen Berufen aussieht. So fehlen beispielsweise in den Berufen, die für den Ausbau der Solar- und Windenergie relevant sind, rund 216.000 Fachkräfte. Davon sind besonders die Teilbranchen Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und Informatik betroffen.

zdi.NRW stellt sich mit einem landesweiten Netzwerk aus zdi-Zentren und Multiplikator:innen aus Bildung, Wirtschaft und Wissenschaft dem Fachkräftemangel entgegen. So kommen wir schon jetzt den Empfehlungen der KOFA-Studie nach: Die Angebote der Netzwerk-Partner:innen heben Attraktivität und Relevanz der benötigten Berufsbilder hervor. Das Matching von jungen Menschen mit Ausbildenden in den Betrieben und an Hochschulen wird verbessert. Mädchen- und Frauenförderung ist ebenso fester Bestandteil der Arbeit von zdi.NRW.

zdi-Community-Plattform

Kurse und Workshops, im Bereich der Berufs- und Studienorientierung und darüber hinaus, schaffen Sichtbarkeit für Unternehmen mit relevanten Ausbildungsberufen und Hochschulen mit entsprechenden Studiengängen. Praktische Ansätze in den Kursen vermitteln ganzheitlich die Bedeutung der jeweiligen Berufe im Bereich Umwelt- und Klimaschutz.

Alle Kurse und die Möglichkeit zur Vernetzung finden Sie auf der zdi-Community-Plattform.

zdi-Roboterwettbewerb

Auch der jährliche zdi-Roboterwettbewerb greift das Thema auf: „Power-Up – Sei kein Fossil!“ lautet das Motto. Schüler:innen entwickeln Robotiklösungen rund um nachhaltige Energieerzeugung, Energietransport oder Energiemanagement. Damit bietet der zdi-Roboterwettbewerb Bezüge zu allen MINT-Fächern und greift ein Thema auf, mit dem sich viele junge Menschen identifizieren können. Außerdem wird ein niederschwelliger Zugang zur Informatik geliefert, einer der vom Fachkräftemangel am stärksten betroffenen Branchen.

zdi-Heldinnenoktober

Zeichnungen von Mädchen, die verschiedene Tätigkeiten ausführen, zum Beispiel als Astronomin, Handwerkerin oder Chemikerin

In Rahmen des zdi-Heldinnenoktobers legen wir ein besonderes Augenmerk auf weibliche Vorbilder und darauf, wie sich junge Frauen für den MINT-Bereich begeistern lassen. In diesem Jahr richtet sich der Fokus auch hier auf Frauen, die sich im Bereich der nachhaltigen Energiewirtschaft engagieren.

Auf unserer Themenseite informieren wir regelmäßig über unsere Aktivitäten zum Jahresthema 2023.

Quellen

Dieser Beitrag basiert im Wesentlich auf Recherchen im Internet. Die wichtigsten Quellen im Überblick:

KOFA-Studie: Energie aus Wind und Sonne. Welche Fachkräfte brauchen wir? (November 2022)
Die Studie analysiert die Fachkräftesituation in den beiden Branchen der Solar- und der Windenergie. Sie gibt einen Überblick, welche Fachkräfte in diesen Branchen für die weitere Umsetzung der Energiewende benötigt werden, wie deren Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ist und in welchen Berufen Engpässe bestehen.

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Das IÖW analysiert die komplexen Wechselbeziehungen der Wirtschaft mit anderen gesellschaftlichen Bereichen und der natürlichen Umwelt sowie ihre Abhängigkeit von den ökologischen Grenzen.

Informationsplattform des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
Eine Plattform, die über die Forschung an Energiesystemen informiert. Sie entstand aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Umweltrat – Wissenschaftliche Berater der Bundesregierung
Der SRU berät seit 1972 die Bundesregierung und ist damit eine der ältesten Institutionen wissenschaftlicher Beratung für die deutsche Umweltpolitik.

Erklärvideo zur Digitalisierung der Energiesysteme

Informationsportal des Landes NRW

Energieatlas NRW

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