
Zu Beginn des Jahres berichteten wir bereits über die Zahlen des MINT-Frühjahrsreports und des MINT-Nachwuchsbarometers. Die Bilanz vor allem des letzteren zeichnet ein ernüchterndes Bild: Unter MINT-Auszubildenden ist nur jede Achte eine Frau, nur 31 Prozent der Absolvent:innen eines klassischen MINT-Studiums sind weiblich.
Von fehlenden weiblichen Perspektiven berichtete auch unsere zdi-Heldin Phyllis Ndugire, die Erfahrungen aus ihrem Maschinenbau-Masterstudium mit uns geteilt hat:
In diesem „Unter der Lupe”-Beitrag zum zdi-Heldinnen-Oktober beleuchten wir, warum die Perspektiven von Frauen in MINT so wichtig sind und welche Rolle sie in der zdi-Community spielen.
Mut zur Lücke? Nicht, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit geht!
Die Trägerin des Wirtschaftsnobelpreises 2023, Harvard-Professorin Claudia Goldin, forscht seit über 50 Jahren zur Rolle der Frau auf dem Arbeitsmarkt und der sogenannten „Gender Gap”. Diese geschlechterspezifischen Lücken gibt es nicht nur in der Wirtschaft, wo sie sich zum Beispiel als „Gender Pay Gap” durch eine niedrigere Bezahlung von Frauen im Vergleich zu Männern äußern. Goldin analysierte Daten aus einem Zeitraum von 200 Jahren zum Thema Frauenarbeit in den USA. Dabei stellte sie fest, dass ein früher und guter Zugang zu Bildung wichtig sei, damit Frauen den Zugang in gutbezahlte Berufe finden. Ein Ergebnis, das zeigt, wie wichtig frühe und niedrigschwellige MINT-Bildung auch für die Geschlechtergerechtigkeit ist.
Allerdings werden Frauen für die gleichen Tätigkeiten oft schlechter bezahlt als Männer, selbst wenn sie besser ausgebildet sind. Goldin identifizierte deshalb noch weitere Faktoren, die sich auf die Erwerbsfähigkeit von Frauen auswirken. Wie im MINT-Nachwuchsbarometer hervorgehoben, misst auch Goldin der Rolle weiblicher Vorbilder eine große Bedeutung zu. Vor allem, wenn es um die Vermittlung von (neuen) Rollenbildern oder die Vermeidung von Geschlechterstereotypen geht. Ein weiterer wichtiger Punkt: Oft entsteht ein Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen nach der Geburt des ersten Kindes und der häufig damit verbundenen Teilzeitarbeit von Frauen.
Die Gender Gap gibt es in vielen Forschungsbereichen. Man spricht auch von der „Gender Data Gap”, also der geschlechterspezifischen Datenlücke, die dadurch entsteht, dass Frauen zum Beispiel in medizinischen Test- und Kontrollgruppen fehlen. Auch beim Training von Künstlicher Intelligenz (KIs) kommt die weibliche Perspektive oft zu kurz. Das weiß auch unsere Interviewpartnerin Gesche Neusel
Perspektivwechsel sind nötig
Es kann also nur von Nachteil sein, wenn weibliche Perspektiven fehlen. Oder genauer gesagt: die Perspektiven der unterschiedlichen sogenannten Easy-to-ignore-Gruppen, zu denen im MINT-Bereich eben auch Frauen gehören. Es geht also nicht nur um weibliche Betrachtungsweisen, sondern darum, so viele verschiedene Perspektiven wie möglich einzubringen – in die Entwicklung von Produkten genauso wie in die (medizinische) Forschung und eben auch in die MINT-Bildung.

„Ungerade” Lebensläufe wie die unserer zdi-Heldinnen Karin Ressel und Carmen Köhler können genau dies bewirken. Sie bringen durch ihren reichen Erfahrungsschatz neue Blickwinkel ein und tragen so ganz aktiv zum Lösen von Problemen bei. Eine berufliche Neuorientierung hin zum Traumberuf oder auch ein Wiedereinstieg in den Beruf brauchen Mut und Selbstbewusstsein. Frauen dabei zu unterstützen, ihnen erfolgreiche Vorbilder zu präsentieren, positive Bestärkung und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern sind deshalb wichtige Faktoren in der MINT-Mädchen-Arbeit.
Frauen bei zdi.NRW – eine Verbindung, die sich auszahlt

Schaut man sich die Menschen in der zdi-Community genauer an, zeigt sich: Das Gesicht von zdi.NRW ist überwiegend weiblich. Über die Hälfte der ca. 188 Menschen, die sich auf organisatorischer Ebene um die über 100 zdi-Schüler:innenlabore kümmern, sind Frauen. Wiederum gut die Hälfte der als Koordinator:innen geführten Menschen, also der für die Schüler:innenlabore Hauptverantwortlichen, sind ebenfalls Frauen. Auch die rund 50 zdi-Netzwerke werden größtenteils von Koordinatorinnen geführt, hier beträgt der Frauenanteil sogar gut 70 Prozent.
Ein Grund dafür, dass der Koordinatorinnen-Anteil in den Schüler:innenlaboren niedriger ist, könnte daran liegen, dass die Hauptverantwortlichen hier, im Gegensatz zur Koordination der Netzwerke, häufiger selbst MINT-ler:innen sind und entsprechend auch hier Frauen fehlen. Das strukturelle Problem betrifft also nicht nur die Kursteilnehmenden, sondern auch diejenigen, die sich um die Durchführung kümmern.
Auch das Team, das sich in der zdi-Landesgeschäftsstelle mit dem Thema MINT-Mädchen-Arbeit auseinandersetzt, ist überwiegend (aber nicht ausschließlich) weiblich. Kerstin Helmerdig ist bereits viele Jahre eine der Hauptverantwortlichen, wenn es um die Umsetzung der zdi-MINT-Mädchen-Arbeit geht. Ihr ist klar, dass eine quantitative Bewertung der Arbeit aufgrund der Datenlage kaum möglich ist. Doch eines ist klar: Der Mädchenanteil steigt.
„Es sind zwar keine Riesensprünge, die wir machen. Aber der Mädchenanteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich um ein paar Prozentpunkte gestiegen. Mittlerweile sind wir bei einem Anteil von 47 % an Mädchen, die unser zdi-Kursangebot besuchen. Da ist es bis zu den 50 %, bei denen natürlicherweise Schluss ist, nicht mehr weit”, sagt Helmerdig.

Bei zdi.NRW zeigt sich: Frauen sind Macherinnen und Netzwerkerinnen. Es ist klar, dass die außerschulische MINT-Bildung an vielen Orten wesentlich schlechter aufgestellt wäre, gäbe es die zdi-Koordinatorinnen nicht. Auch festhalten muss man allerdings, dass die strukturellen Probleme, die Goldin in ihrer Forschung beschreibt, auch vor zdi nicht haltmachen. Was die zdi-Community aber nicht davon abhält, durch Empowerment und Vernetzung konstant am Abbau dieser strukturellen Ungerechtigkeiten, Geschlechterklischees und veralteten Rollenbildern zu arbeiten.
Dabei reicht es nicht aus, Mädchen und jungen Frauen klar zu machen, wie wichtig und lukrativ ihre Rolle im MINT-Bereich sein kann. Auch mit Jungen und jungen Männer muss am Abbau von Klischees gearbeitet werden. Genau dies hat sich die zdi-Community für das diesjährige MINT-Mädchen-Camp vorgenommen, bei dem in einem Workshop mit Achtklässlern über Geschlechterklischees und Rollenbilder lebhaft diskutiert wurde.
Hier geht es zum Nachbericht des MINT-Mädchen-Camps 2023
Warum ist MINT-Mädchen-Arbeit nach wie vor wichtig?
Die Zahl der MINT-Studentinnen hat sich in den letzten ca. zehn Jahren fast verdoppelt. Doch mittlerweile stagnieren die Zahlen und oft werden aus den Studentinnen keine beruflichen MINT-lerinnen. Die Arbeit im Bereich der MINT-Mädchen-Förderung ist also noch nicht getan. Außerdem folgt auf jeden Mädchen-Jahrgang ein neuer. Hier muss die Arbeit im besten Fall nicht wieder bei Null anfangen, weil die jungen Frauen selbstbewusster und Geschlechterklischees aufgebrochen werden. Doch es gilt weiterhin hervorzuheben, wie alltagsnah, kommunikativ, kreativ und lukrativ MINT-Berufe sind. Denn es hat sich gezeigt: Ein früher Einstieg in gute MINT-Bildung und weibliche Rollenvorbilder können dabei helfen, mehr Mädchen und junge Frauen für MINT – und somit für lukrative und zukunftssichere Karrieren – zu begeistern. Damit kann man gar nicht früh genug anfangen – am besten mit einem MINT-Kurs der zdi-Community.

Ihr sucht MINT-Kurse in Eurer Region?
Alle Kurse findet Ihr auf der zdi-Community-Plattform!

Quellen:
Links zu Beiträgen über die Nobelpreisträgerin Claudia Goldin:
https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2023/press-release/
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/nobelpreis-oekonomin-goldin-100.html
https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-10/wirtschaftsnobelpreis-geht-an-us-wissenschaftlerin-claudia-goldin
Links zu Beiträgen über Frauen in MINT-Berufen:
https://www.iwd.de/artikel/wenige-frauen-in-mint-berufen-588932/
https://www.academics.de/ratgeber/mint-frauen-in-technischen-berufen