Portrait: Phyllis Ndugire vom zdi-Zentrum cleverMINT

Bereits mit sechs Jahren begeistert sich Phyllis Ndugire für das Ingenieurswesen, promoviert heute an der Hochschule Rhein-Waal und leitet das an die Hochschule angeschlossene zdi-Zentrum cleverMINT. Im zdi-Heldinnen-Portrait beleuchten wir ihren Werdegang und die Bedeutung von starken Frauen-Netzwerken.

Phyllis Ndugire steht in einer Halle mit Maschinen.

Ich werde Ingenieurin!

Gemeinsam mit ihrem Großvater beobachtet die sechsjährige Phyllis Ndugire, wie ihr Vater in ein Flugzeug nach England steigt. Das Mädchen kann gar nicht glauben, dass dieses riesige Gefährt tatsächlich fliegen soll. Auf die erstaunte Frage, wer denn solche Gefährte bauen würde, antwortet ihr Großvater: „Ingenieure!“ Da ist für Phyllis Ndugire klar: „Das möchte ich auch können! Ich werde Ingenieurin!“

Phyllis Ndugire arbeitet an einer Maschine in einem Labor.
© Hochschule Rhein-Waal

Dank der Unterstützung ihrer Familie und Lehrer ist dieser Plan nun aufgegangen. Aktuell promoviert Phyllis Ndugire an der Hochschule Rhein-Waal an der Fakultät für Technologie und Bionik.

Flugzeuge baut sie dort zwar nicht. Aber ihre Forschung im Projekt „Härt-Sim: Simulationsprogramm für den Härteprozess zur Vorhersage von Werkstoffeigenschaften” hilft dabei, die Haltbarkeit von Bauteilen – auch in Flugzeugen – einzuschätzen und so nachhaltiger zu Bauen. Ihre Promotion führt Ndugire in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Universität Rostock durch.

Wir brauchen starke Frauennetzwerke

Ndugire beginnt ihr Bachelor-Studium gemeinsam mit zwölf anderen Frauen. Den Abschluss machen davon nur noch zwei, im Master-Studium ist sie schließlich die einzige Frau. Das möchte Ndugire nicht auf sich sitzen lassen. Sie ruft die „Big Sisters” ins Leben, eine Art Selbsthilfegruppe für Frauen in MINT-Studiengängen. „Es hat sich gezeigt, dass viele Frauen ähnliche Probleme und Unsicherheiten im Studium haben. Wir konnten uns nicht nur ganz praktisch Unterstützung im Studienalltag geben, es hilft auch zu wissen: Anderen geht es genauso, wie mir.” Aus einer Gruppe von sechs Studentinnen ist heute unter dem Namen „Tech Women” ein Netzwerk aus über 100 Frauen geworden, die sich gegenseitig unterstützen – auch über das Studium hinaus.

Es muss klar sein: Die weibliche Perspektive ist wichtig und hat eine Daseinsberechtigung, weit über eine Frauenquote hinaus. Es brauche Teams, in denen so viele verschiedene Perspektiven wie möglich vertreten sind, um gute Produkte zu entwickeln.

Hier erzählt Phyllis Ndugire von einer Erfahrung aus dem Master-Studium die ihr klar gemacht hat, warum die weibliche Perspektive so wichtig ist:

Transkript des oben als Audiodatei eingebundenen Zitats: Ich war die einzige Frau im Masterstudium. Wir hatten eine Vorlesung namens Patentrecht und da kam unsere Dozentin und die meinte: „Heute werden wir eine Bohrmaschine für Frauen entwickeln und wir wollen diese dann patentieren.“ Das war die Aufgabe. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und sollten am Ende dann unsere Ergebnisse präsentieren. Die erste reine Männer-Gruppe stellte ihr Ergebnis vor: „Die Bohrmaschine soll einfach pink, billig und leicht sein.“ Da dachte ich schon: „Ok, das kann man alles nicht patentieren!“ Bei den nächsten Gruppen war es immer wieder das Gleiche. Dann kam unsere Gruppe. Unsere Bohrmaschine erfüllte alle Anforderungen und technische Ausstattungen. Darauf meinte die Dozentin: „Genau das wollte ich eigentlich zeigen: Wir brauchen Frauen in Gruppen, wo Dinge entwickelt und Entscheidungen getroffen werden, denn sie haben eine andere Perspektive.“ Es ist wichtig, im Team zusammenzuarbeiten und möglichst viele Perspektiven einzubringen, damit wir erfolgreich sein können, damit richtige Entscheidungen getroffen werden können, richtige Maschinen gebaut werden könnten und so weiter. Und auch unter Frauen müssen wir uns gegenseitig zeigen: Wir können gemeinsam mehr beitragen, als alleine.

Es macht mir großen Spaß, junge Menschen zu motivieren.

Bereits während ihres Studiums arbeitet Ndugire als MINT-Mentorin und kommt so zum ersten Mal in Kontakt mit dem zdi-Zentrum. Als MINT-Mentorin unterstützt sie Studienanfängerinnen an der Hochschule. Da liegt es nahe, noch einen Schritt früher einzusteigen und auch schon Mädchen an der Schule für MINT zu begeistern.

Sowohl in ihrem eigenen Werdegang als auch in der Arbeit mit den Mädchen und Frauen, wird ihr die Bedeutung von Peer-to-Peer-Mentoring bewusst. Auch „Vorbilder zum Anfassen” zu haben, ist wichtig. Der direkte Austausch zwischen Role-Models und den Mädchen sei sehr motivierend – für beide Seiten.

Phyllis Ndugire in weißem Kittel und Brille hält ein Werkzeug in der Hand.
© Hochschule Rhein-Waal

Ein Grund, warum ihr die Stelle als zdi-Koordinatorin so viel Freude bereitet, ist für Ndugire ganz klar: „Es macht mir einfach großen Spaß, junge Menschen zu motivieren und zu sehen, wie viel sich schon nach einem Workshop bei ihnen verändern kann.” Durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem zdi-Zentrum gelingt Phyllis Ndugire zudem eine Validierbarkeit von Erfolgen. Dies ist sonst aus Datenschutzgründen eher schwierig. Es kommt vor, dass sie auf dem Campus in Kleve einer jungen Frau über den Weg läuft, die sie vor Jahren bereits in einem zdi-Kurs betreut hat. Die Studentinnen sind immer positiv überrascht, wenn sie von der ehemaligen Mentorin wiedererkannt werden.

Man muss die Ideen verkaufen wie ein Produkt

Phyllis Ndugire steht lächelnd vor einem Schild, auf dem steht: zdi-Zentrum Kleve cleverMINT Nordrhein-Westfalen.
© Hochschule Rhein-Waal

Trotz hervorragender Einarbeitung ist der Einstieg als zdi-Koordinatorin alles andere als einfach für Ndugire. Zu den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg kommen auch noch räumliche Probleme hinzu. Durch einen Wasserschaden in dem Gebäude, in dem auch das zdi-Schüler:innenlabor untergebracht ist, musste das Labor Platz machen für den Lehrbetrieb der Hochschule. Nun laufen die verschiedenen Projekte des Netzwerks wieder an, nicht zuletzt dank der unermüdlichen Netzwerkarbeit der Koordinatorin. Denn die verschiedenen Partner:innen sind selbst von Pandemie und Krieg betroffen und etwas zögerlich, sich im zdi-Netzwerk zu engagieren. „Da ist mir klar geworden, ich muss die Menschen wieder von unseren Projekten überzeugen. Ich muss sie richtiggehend verkaufen, wie ein Produkt. Da war ich dann plötzlich die Vertriebslady”, lacht Ndugire. Das hat gefruchtet.

„Wir bieten unsere Maßnahmen – unser Produkt – jetzt nicht nur im zdi-Schüler:innenlabor an, sondern konnten verschiedene Partner:innen gewinnen, die dieses Produkt nun selbst anbieten.“, freut sich Ndugire. Durch Studium und Promotion ist sie außerdem gut an der Hochschule Rhein-Waal, der Trägerin des zdi-Netzwerks, vernetzt. Sie weiß, welche:r Professor:in für Workshops infrage kommt und wer gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen kann. So kann sie auf direktem Weg Kontakte zu anderen Fakultäten knüpfen. Mittlerweile bietet unter anderem auch die Life Sciences Fakultät verschiedene Workshops im Bionik-Labor oder im FabLab Blue an.

Wie geht es weiter?

Wenn die MINT-Fee ihr drei Herzensprojekte erfüllen könnte, steht ein Projekt für Ndugire an oberster Stelle: das aktuell stillgelegte MINT-Mentorinnen-Projekt. Sie selbst denkt gerne an den großen Spaß, den sie bei der Arbeit als MINT-Mentorin hatte und nicht zuletzt auch an den Nutzen für sich selbst und für andere. Dabei ist ihr eines wichtig: „Die jungen Frauen, die sich als Mentorinnen engagieren, brauchen finanzielle Unterstützung. Denn wer neben dem Studium noch in drei Jobs arbeiten muss, um den Lebensunterhalt zu verdienen, kann sich nicht auch noch ehrenamtlich engagieren.” Weitere Wünsche sind der Ausbau der Minilabs, die es am zdi-Zentrum bereits gibt, und ein besonderer Wettbewerb oder Workshops für Hochbegabte. Sie würden von den aktuellen Angeboten des Netzwerks noch nicht ausreichend berücksichtigt, findet Ndugire.

Der größte Wunsch und die wichtigste Botschaft ist für Phyllis Ndugire allerdings: „Mädchen sollen sich einfach trauen, selbstbewusster sein und nicht aufgeben!“

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