MINT-Frühjahrsreport 2023 mit ernüchternden Zahlen
Der am 24. Mai veröffentlichte MINT-Frühjahrsreport, herausgegeben vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zeigt in ernüchternden Zahlen den gravierenden Mangel an Fachkräften im MINT-Bereich auf. Es gibt aber auch positive Entwicklungen, darunter ein Zuwachs von Frauen in MINT-Berufen. Das Nationale MINT-Forum, dessen Mitglieder die Studie beauftragt haben, warnt in seiner Pressemitteilung: „Der „MINT-Frühjahrsreport“ zeigt, dass die Fachkräftelücke im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) trotz konjunktureller Abkühlung auf hohem Niveau bleibt.“
Das Gutachten zeigt aber nicht nur die Bereiche auf, in denen in Zukunft ein besonders starker Personalmangel zu erwarten ist. Es liefert auch Hinweise darauf, was zu tun ist, um dem Fachkräftemangel bestmöglich entgegenzuwirken. Dabei entsprechen viele dieser Hinweise den Kernaufgaben von zdi.NRW und unterstreichen somit die Bedeutung der Arbeit der NRW-weiten zdi-Community.
MINT-Fachkräftelücke im Bereich der MINT-Expert:innen besonders hoch
Das Gutachten nutzt Zahlen aus Unternehmen und der Regionaldirektionen der Arbeitsagenturen, vergleicht zu besetzende Stellen mit Arbeitssuchenden und berücksichtigt außerdem anstehende Renteneintritte. Die bereinigten Zahlen ergeben ein ernüchterndes Bild: Im Vergleich zum Höchststand im April 2022 hat sich die Lücke ein Jahr später zwar leicht geschlossen, die Zahlen sind Stand April 2023 aber nach wie vor hoch und zudem leicht gestiegen. Demnach fehlten über alle 36 MINT-Berufskategorien 308.400 Personen. Besonders betroffene Berufsgruppen sind die Energie- und Elektroberufe (88.600 fehlende Personen), die Maschinen- und Fahrzeugtechnik (56.600 Personen) und die IT-Berufe (50.600 fehlende Personen).
Besonders hoch ist die Fachkräfte-Lücke im Bereich der sogenannten MINT-Expertentätigkeiten, die in der Regel durch Akademiker besetzt werden. Hier fehlen aktuell 141.300 Personen, um alle Stellen besetzen zu können. Eine Verbesserung in diesem Bereich ist zudem nicht zu erwarten, da der Anteil an Studierenden im MINT-Bereich zwischen 2015 und 2023 von 35,1 Prozent auf 31,7 Prozent gesunken ist. Entsprechend trifft zukünftig ein steigender Bedarf an MINT-Expert:innen auf eine sinkende Zahl an Absolvent:innen.
Ungleichheit bei Bildungschancen deutlich gestiegen
In dieser Hinsicht problematisch zeigt sich auch eine Verschlechterung der Chancengleichheit in der Bildung, die wiederum Bildungsaufstiege erschwert. Dabei sind laut Gutachten gerade die MINT-Fächer besonders gut für einen Bildungsaufstieg geeignet. Zusätzlich zur gestiegenen Bildungsungerechtigkeit sind zusätzlich die Kompetenzen in Mathematik deutlich gesunken. Auch dieser Faktor könnte sich zukünftig negativ auf die Studierendenzahlen auswirken. Zudem ist die Quote der Studierenden, die ihr Studium abbrechen oder das Studienfach wechseln, im MINT-Bereich besonders hoch.
Auswirkungen zeigen sich auch auf die MINT-Ausbildungsberufe: Hier sank die Zahl der Auszubildenden zwischen 2019 und 2021 um 25.600. Der Rückgang wurde dabei in erster Linie durch einen Mangel an Bewerber:innen verursacht.
Dennoch sind laut PISA-Studie die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Schüler:innen in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich hoch. zdi.NRW fördert durch MINT-Kurse Fähigkeiten und Interesse in diesem Bereich. Die Angebote richten sich an Schüler:innen aller Schulformen und können so Bildungsungerechtigkeit abbauen und bei Bildungsaufstiegen unterstützen, da eine Förderung nach Fertigkeiten stattfinden kann.
Leichter Zuwachs an Frauen im MINT-Bereich
Positiver zeigen sich die Zahlen im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit: Der Anteil der in MINT-Berufen beschäftigten Frauen stieg von 13,8 Prozent im Jahr 2012 auf 16,0 Prozent im Jahr 2022. Der Anstieg ist zwar positiv, der Anteil selbst allerdings nach wie vor viel zu gering, um dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. Luft nach oben zeigt sich auch im Vergleich der Bundesländer. Hier teilt sich Nordrhein-Westfalen den vorletzten Platz mit Rheinland-Pfalz mit einem Frauenanteil in MINT-Berufen von 14 Prozent:
Klare Unterscheidungen bei den Frauenanteilen lassen sich auch innerhalb der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche sowie Berufsfeldern feststellen. Bei den Berufen mit akademischer Qualifikation liegen hier Tätigkeiten im Bereich der Biologie und Chemie weit vorne, sie haben einen Frauenanteil von 46,7 Prozent zu verzeichnen. Noch besser sieht es bei den „sonstigen naturwissenschaftlichen Expertenberufen“ aus, deren Tätigkeiten nicht durch andere Kategorien wie Ingenieurberufe oder IT-Berufe abgedeckt werden. Hier liegt der Frauenanteil bei 73,1 Prozent. Besonders beachtlich ist der Frauenanteil bei MINT-Ausbildungsberufen mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung: Hier werden 89,4 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt. Im Bereich der Metallverarbeitung sind Frauen nach wie vor auf allen Tätigkeitslevels stark unterrepräsentiert: Auf dem Expertinnenlevel (Akademikerinnen) liegt der Frauenanteil bei 11,6 Prozent, auf dem Spezialistinnenlevel (Meisterinnen, Technikerinnen) bei etwa 4,5 Prozent und auf dem Facharbeiterinnenlevel (Ausbildungsberufe) bei 5 Prozent.
Handlungsempfehlungen
Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Deglobalisierung sind die Schlagworte, die in Deutschland zukünftig einen hohen Transformationsdruck auslösen werden. Um diese Transformation zu stemmen, ist es dringend nötig, die Fachkräftelücke im MINT-Bereich zu verringern. Handlungsempfehlungen, wie dies gelingen kann, liefert nicht nur der MINT-Frühjahrsreport. Auch innerhalb der MINT- und der zdi-Community finden sich hilfreiche Hinweise.
So beschäftigt sich beispielsweise auch das MINT-Nachwuchsbarometer 2023 mit den Herausforderungen im Bereich der MINT-Nachwuchsförderung. Auf LinkedIn haben wir die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Nachwuchsbarometer zusammengefasst. Die Ergebnisse und Empfehlungen decken sich an vielen Stellen mit den Punkten, die wir bereits auf dem zdi-Mädchen-Camp 2022 erheben konnten.
Hervorgehoben werden die positiven Auswirkungen von Bildungsangeboten im Ganztagsbereich und von Ferienangeboten. Sprachförderprogramme sollen dabei helfen, Sprachbarrieren abzubauen. Die Kurse der zdi-Community zeigen bereits, dass sich MINT-Kurse hervorragen dazu eignen, um solche Barrieren zu überwinden. Außerdem solle die MINT-Bildung bereits in der Vorschule beginnen und nicht erst mit der Berufs- und Studienorientierung – eine Forderung, die auch die zdi-Community unterstützt und in Teilen bereits umsetzt: beispielsweise die Initiative KidsgoMINT des zdi-Zentrums MINT-Netzwerk Essen oder der MINTmachCLUB.Lippe des zdi-Zentrums Lippe.MINT.
Im Bereich der Mädchenarbeit wird die Bedeutung von weiblichen Vorbildern und Mentoringprogrammen hervorgehoben. zdi.NRW setzt sich daher das ganze Jahr über – ganz besonders aber während des zdi-Heldinnen-Oktobers – für die Sichtbarkeit von Mädchen und Frauen in MINT-Berufen, -Ausbildungen und -Studiengängen ein. Was das Kursangebot angeht, zeigt sich immer wieder: Die zdi-Kurse sprechen alle Geschlechter gleichermaßen an. Dabei richtet sich die Kursgestaltung nach aktuellen Empfehlungen aus der Forschung, wie zum Beispiel den Leitlinien zur Technik-Video-Produktion, die von einer Forschungsgruppe der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg entwickelt wurden. Der Anteil weiblicher Teilnehmerinnen an den zdi-Kursen liegt seit Jahren bei über 45 Prozent.
Den vollständigen MINT-Frühjahrsreport 2023 könnt Ihr hier nachlesen: