Im Interview: FabLab-Managerin Nuria Robles
Wir haben den Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft am 11. Februar 2023 zum Anlass genommen, um mit Nuria über ihre Arbeit im FabLab, die Bedeutung von internationaler Vernetzung und den Spaß am Gestalten zu sprechen.
Das FabLab León wurde 2011 gegründet. Junge Menschen aus der ganzen Welt können sich hier in verschiedenen Programmen ausprobieren, digitale Fertigungsmethoden und vor allem die Maker-Philosophie kennenlernen. Seit 2012 leitet Nuria Robles das FabLab. Sie selbst sagt über sich: „Laut meinem Abschluss bin ich Maschinenbauingenieurin, aber eigentlich bin ich hauptberuflich Schöpferin!“
Das FabLab León ist Teil der Initative shemakes, in der sich Menschen, MakerSpaces und Unternehmen auf internationaler Ebene zusammenschließen. In verschiedenen Lernpfaden, für die teilweise auch das FabLab León zuständig ist, werden Workshops für alle Altersklassen angeboten. Gurus und Botschafter:innen erhöhen die Sichtbarkeit. Das gemeinsame Ziel ist es, die Fähigkeiten, das Selbstbewusstsein und allgemein die Position von Frauen in der Textilindustrie zu verbessern. Die Initiative wird finanziert von der Europäischen Union.
Das Interview mit Nuria Robles wurde auf Englisch geführt und wird hier ins Deutsche übersetzt.
Nuria, erzähl‘ uns von deinem Werdegang: Wie kommt eine Maschinenbauingenieurin ans FabLab?
Ich habe 15 Jahre lang als Ingenieurin bei einem Unternehmen gearbeitet. Als ich Mutter wurde, habe ich mehr und mehr festgestellt, dass ich gerne im Bildungsbereich und mit Kindern arbeiten möchte. Ich wollte für meine und andere Kinder Möglichkeiten schaffen, sich zu entwickeln und bessere Menschen zu werden. Als ich dann über das Center for Bits and Atoms des MIT (Massachuetts Institute of Technology) mit der FabLab-Szene in Berührung kam, war klar: Das ist das perfekte Werkzeug, um jungen Menschen Technologie näherzubringen und sie auf die Zukunft vorzubereiten. Daraus ist dann das FabLab León entstanden.

Für mich ist ein FabLab im Kern ein Ort, der einem dabei hilft, Dinge zu verstehen, indem man sie selbst erschafft. Man kann dort selbstständig und selbstbestimmt arbeiten: Im FabLab werden den Menschen die Fähigkeiten vermittelt, die sie brauchen, um ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Deshalb entstehen in FabLabs auch so viele innovative Erfindungen, weil man ohne Einschränkungen experimentieren und auch verrückte Ideen umsetzen kann.
Du betreust im FabLab unter anderem das Projekt Ponderosas. Was hat es damit auf sich?

„Ponderosas“ bedeutet „starke Mädchen“. Ich habe das Projekt gestartet, weil mir auffiel, dass nur Jungs ins FabLab kamen, keine Mädchen. Also habe ich mir meine Nichte geschnappt und habe im Labor mit ihr gemeinsam Kleidung für ihre Puppen hergestellt. Wir haben digital die Designs für die Kleider erstellt und dann mit dem Lasercutter ausgeschnitten. Es war ein ganz besonderer Moment, als ich in ihren Augen die Begeisterung für die Technologie wachsen sehen konnte. Meine Nichte hat die Kleider dann stolz ihren Freundinnen präsentiert und in den sozialen Medien geteilt. So konnten gleichaltrige Mädchen sehen: „Wow, sowas geht? Kann ich das auch?“. Es hat sich rumgesprochen und aus einem Mädchen wurden erst zwei, dann drei. Und mittlerweile, fünf Jahre später, haben wir 50 – 60 „Ponderosas“, die regelmäßig ins FabLab kommen.
Ich denke, dass Mädchen gleichaltrige Vorbilder brauchen. Es ist auch wichtig, Wissenschaftlerinnen, weiblichen CEOs und anderen Sichtbarkeit zu geben und ihre Leistungen anzuerkennen. Für ein junges Mädchen, dass nicht weiß, was es einmal werden will, sind diese Frauen aber zu weit entfernt. Gleichaltrige können sich sehr gut gegenseitig motivieren und inspirieren. Das hat sich bei den „Ponderosas“ gezeigt.
Du und das FabLab León sind Teil des shemakes-Netzwerks. Was ist dieses Netzwerk und welche Vorteile bietet es?
León ist eine eher kleine Stadt, deshalb war es für uns eine tolle Gelegenheit, diese kleine Stadt der ganzen Welt zu öffnen, an internationalen Projekten teilzuhaben und Wissen auszutauschen. Das ist der FabLab-Deal: Wir verstehen Dinge und erarbeiten Dinge und stellen diese dann als Open Source zur Verfügung. So tragen wir wiederum zum Wissen und Verständnis von anderen bei. Jeder hat die Möglichkeit, unsere Projekte selbst zu wiederholen. Bei shemakes geht es dabei vor allem um das Zusammenbringen von Technologie und Textil und das Empowerment von Frauen in der Textil- und Modeindustrie. Das Lernen und Weiterbilden spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Es gibt verschiedene Lernpfade, unser FabLab deckt den Pfad der Neugier ab für die Altersgruppen von acht bis 18 Jahren.
Außerdem bieten sich außergewöhnliche Möglichkeiten: Von den vier shemakes-Botschafterinnen, die wir am FabLab haben, sind drei „Ponderosas“-Mädchen. Als Botschafterinnen können sie in eines der shemakes-Transfer Labs, die es auf der ganzen Welt gibt, reisen. Dort finden sie nicht nur Gleichgesinnte, sondern lernen auch unheimlich viel über andere Kulturen und Werte, aber auch über sich selbst.
Wie tragen aus deiner Sicht FabLabs wie deines zu einer nachhaltigeren Zukunft bei?
FabLabs bieten als Innovations- oder Forschungslabore Menschen die Möglichkeit, ihre ganz eigenen Ideen zu realisieren. Viele, die zu uns kommen, haben zum Beispiel keine Ahnung, wie man einen 3D-Drucker benutzt. Das bringen wir ihnen gerne bei. Wir beschäftigen uns auch viel mit neuen Materialien wie „Bio-Leder“, also ein recyclebarer, lederähnlicher Stoff, den wir mit dem 3D-Drucker herstellen können. Auch mit Bio-Dyes, also umweltfreundlichen Färbemitteln, beschäftigen wir uns. Wir tragen also auf zweierlei Weise zur Nachhaltigkeit bei: Zum einen, indem wir die Entwicklung neuartiger und nachhaltiger Materialien vorantreiben, und zum anderen, indem wir den Menschen das Wissen und die Fertigkeiten vermitteln, an und mit diesen Materialien zu arbeiten.
Weitere empowernde Geschichten von und über Frauen im MINT-Bereich finden auf unserer Themenseite zu den zdi-Heldinnen:

International Day of Women and Girls in Science
Der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft findet jedes Jahr am 11. Februar statt und wurde von UN-Women und der UNESCO am 22. Dezember 2015 ins Leben gerufen. Die ungleiche Behandlung von Frauen und Mädchen in den Wissenschaften, dabei allen voran die MINT-Bereiche, ist nach wie vor ein großes Thema. Der Aktionstag soll auf diese Missstände aufmerksam machen und positiven Beispielen eine Bühne bieten. Denn ohne den Beitrag von Mädchen und Frauen lassen sich zum Beispiel die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 nicht erfolgreich umsetzen.