Zerrin Börcek ist Gründerin des fe:male Innovation Hub. Als MINT-Begeisterte und zdi-Heldin hat sie sich zum Ziel gesetzt, Mädchen und junge Frauen für MINT-Fächer zu begeistern und sie dahinzuführen. Sie ist 41 Jahre alt und absolvierte an der RWTH Aachen Technik-Kommunikation mit Kommunikationswissenschaften und Informatik.
Anlässlich des zdi-Heldinnen-Oktobers sprachen wir mit ihr darüber, wie mehr junge Frauen auf eine Selbständigkeit in der Digitalwirtschaft vorbereitet werden können und mit welchen überlieferten Denkstrukturen sie dabei zu kämpfen haben.
Ihr Credo: Lerne Vorurteilen mit Akzeptanz zu begegnen und leg einfach los!

Frau Börcek, der diesjährige zdi-Heldinnen-Oktober hat unter anderem den Schwerpunkt „Entrepreneurship“. Wie steht es denn um das weibliche Unternehmertum in Deutschland? Sicherlich gibt es hier noch einiges zu tun, nicht wahr?
Tatsächlich liegt der Anteil der Startup-Gründerinnen in Deutschland bei nur 15,7 Prozent. Für diesen geringen Anteil würde ich mehrere Gründe anführen. Zum einen kämpfen viele Frauen mit traditionellen Denkweisen. Dazu gehört zum Beispiel ein verstärktes Sicherheitsempfinden. Mädchen bekommen oft zu hören, dass sie einen Beruf lernen und auf eine feste Anstellung setzen sollen. Oder sie trauen sich eine Selbständigkeit nicht zu, solange ihre Idee nicht perfekt ist.
Eine weitere Ursache für den niedrigen Anteil an Startup-Gründerinnen liegt zum anderen darin, dass Frauen eher dazu neigen, ihr Konzept bis zum letzten ausfeilen. Sie bleiben also im konzeptionellen Denken haften und legen nicht einfach los.
Fakt ist, Frauen setzen häufiger auf soziale und nachhaltigere Geschäftsmodelle. Der Females Founders Monitor berichtet, dass Gründerinnen stärker als Gründer durch übergeordnete Ziele motiviert sind. Ökologische Nachhaltigkeit ist ihnen zum Beispiel häufig sehr wichtig. Man spricht hier auch von Social Entrepreneurship.
Sie haben eine Plattform für Frauen gegründet, die sich in der Digitalbranchen selbstständig machen möchten. Was hat Sie angetrieben, Frauen dabei zu unterstützen?
Im digitalen Zeitalter werden neue Arbeitsmodelle und -strukturen geschaffen. Netzwerken ist dabei entscheidend, jedoch für den Aufbau neuer Modelle nicht ausreichend. Meine Erkenntnis dabei war, dass Frauen in diesem Prozess zu Gestalterinnen werden. Damit kam ich auf die Idee, eine neue Plattform zu gründen, um den Zugang in die Digitalwirtschaft zu schaffen und Frauen zu empowern.
Der Wert Chancengleichheit steht dabei für mich an erster Stelle. Ich bin davon überzeugt, dass Frauen den digitalen Wandel beschleunigen und Vorantreiber in der Digitalwirtschaft sind. Sie sind lösungsorientiert und sehr pragmatisch, kreativ und gute Netzwerkerinnen.
Mit dem fe:male Innovation Hub möchten wir ein Zeichen setzen. Wir engagieren uns für Gründerinnen in der Digitalwirtschaft und ihre Positionierung, um nachhaltig Veränderung zu bewirken. Unsere Mission ist es, Mädchen und Frauen darin zu befähigen, ihre eigenen Ideen umzusetzen und auf den Markt zu bringen. Gleichzeitig öffnen wir in diesem Prozess den Raum, dass Gründerinnen an ihren Aufgaben wachsen und ihre Persönlichkeit entwickeln.
Was genau verstehen Sie unter Female Empowerment?
Empowerment bedeutet soviel wie befähigen, ermutigen oder stärken des Selbstbewusstseins.
Das fe:male Innovation Hub konzentriert sich auf die digitale Bildung von Frauen. Wir möchten Frauen in der Anwendung von Technologien stärken und sie befähigen, die digitale Transformation aktiv mitzugestalten. Was uns alle in diesen herausfordernden Zeiten besonders hilft ist, neugierig zu bleiben und den Mut zu haben, Gestalter:innen eigener Projekte zu sein.
Nur wenn es uns gelingt, Frauen von ihren Fähigkeiten zu überzeugen, können wir sie dazu bewegen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Wir begleiten zum Beispiel Frauen bei ihrer Ideenentwicklung oder bei der Gestaltung eines Prototyps. Da viele Frauen nebenberuflich gründen oder noch Kinder im Grundschulalter haben, ist eine gute Struktur, aber auch Flexibilität gefragt. Das gelingt uns durch die Vermittlung von agilen Methoden. Außerdem erhalten sie Programmierkenntnissen, Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung und zu unternehmerischem Wissen.
Nun sind Sie auch selbst Unternehmerin in der Digitalbranche. Haben Sie mit Hürden oder Vorurteilen zu kämpfen?
Ich glaube, dass es immer Hürden und Vorurteile zu meinen Themen geben wird. Dabei geht es nicht um mich persönlich, sondern um ein gesellschaftliches Problem, das ich mit angepackt und zu meinem Thema gemacht habe. Ich setze mich für Chancengleichheit ein und dabei geht es um das Aufbrechen von alten Strukturen und das Finden von Partnerschaften sowie Verbündeten.
Mein Erfahrungswert ist größtenteils, dass die Kommunikation auf Augenhöhe und in respektvoller Begegnung stattfinden. Natürlich sammelte ich auch Erfahrungen mit provokativen Gesprächspartnern. Es fielen Sätze wie „Frauen und Informatik, ob das was wird?!“. Die Kunst besteht darin, in diesen Gesprächen souverän zu bleiben und nicht zu reagieren. Vor allem lernte ich, diesen Vorurteilen mit Akzeptanz zu begegnen. Denn Fakt ist, dass wir aktuell in einer Gesellschaft leben, in der wir große Veränderungen erleben und wir neue Strukturen schaffen.
Wie können Mädchen und junge Frauen für das Unternehmertum begeistert werden? Was bietet die Selbständigkeit jungen Menschen?
Häufig steckt in Mädchen und jungen Frauen die Angst, eigene digitale Projekte umzusetzen. Diese wird mit der Zeit unbewusst zu einer inneren Hürde. Daher sind Formate notwendig, die Neugierde erwecken, für Zukunftstechnologien und zur Gestaltung eigener Projekte begeistern. In unserem Format #startedigital zeigen wir neue Perspektiven in der Digitalwirtschaft und Social Entrepreneurship auf. Schüler:innen erhalten technische Basics und erarbeiten im Team eigene Ideen. Dabei werden sie von jungen Coaches begleitet, damit sie auf Augenhöhe kommunizieren können. Es geht darum, jungen Frauen eine emotionale Erfahrung ermöglichen. Denn ich glaube, dass Veränderungen nur durch emotionale Erfahrungen möglich sind.
Die Selbständigkeit bietet die Entdeckung der eigenen Fähigkeiten und stärkt dabei eine wichtige Charaktereigenschaft im Menschen, die Lösungsorientierung und die Bewahrung der Flexibilität, um veränderungsbereit zu sein und im Wandel mit neuen Lösungswegen voranzuschreiten.
Wer sich selbst einmal ausprobieren und in die Welt der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften & Technik eintauchen möchte, findet auf der MINT-Community-Plattform die passenden Kurse: https://mint-community.de