Welche Motivation bringt Frauen in die Forschung? Wie erleben sie es, als Wissenschaftlerin zu arbeiten? Und was geben sie jungen Mädchen, die sich für MINT interessieren, mit auf den Weg? Diese Fragen beantwortet zdi.NRW während des zdi-Heldinnen-Oktobers, indem Forscherinnen aus NRW vorgestellt werden, die anderen als Vorbild dienen können.
Heute im Interview: Prof. Dr. Martina Havenith-Newen. Sie ist Leiterin des RESOLV-Instituts an der Ruhr-Universität Bochum, zweifache Mutter und hat sich mit uns über ihren Weg in die physikalische Chemie unterhalten. Sie hat uns erklärt, was sie in ihrer Arbeit erforscht, welches ihr bisher liebstes Forschungsprojekt war und welche Tipps sie für Nachwuchswissenschaftlerinnen hat.
Frau Professor Havenith, Sie sind die erste Professorin für Physikalische Chemie in Deutschland gewesen. Wissen Sie noch, wann Sie die Begeisterung für die Wissenschaft richtig gepackt hat?
Meine erste Begegnung mit der Physik hatte ich mit ungefähr 12, 13 Jahren. Im Fernsehen lief damals die TV-Sendung „Gefangen in Raum und Zeit“ von dem Physiker Heinz Haber. Von meinem Taschengeld habe ich mir dann die Bücher zur Sendung gekauft. Deshalb habe ich auch sehnsüchtig auf den Physikunterricht in der Schule gewartet. Leider war der Unterricht aus verschiedenen Gründen nicht mehr so spannend. Unter anderem gab es einen akuten Lehrermangel, weshalb viele unserer Stunden ausgefallen sind.
Hat das ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften beeinträchtigt?
Auf keinen Fall. Natürlich war der Unterricht in der Schule ein wenig enttäuschend, aber meiner Begeisterung hat das nicht geschadet. Als ich anfing, in Bonn zu studieren, wollte ich Astronomin werden. Deshalb hatte ich die Fächer Physik und Mathematik ausgewählt. Erst mit dem Physik-Vordiplom stieg das Interesse an der angewandten Physik. Deshalb habe ich mich entschieden, meine Diplomarbeit in Laserphysik am Institut für angewandte Physik zu machen. Mit den Lasern konnten wir hochempfindliche Messungen durchführen, um Moleküle zu erforschen. In den 90er Jahren waren vor allem die Themen Atmosphäre und Ozonloch in der Forschung omnipräsent. Und mit der Laserspektroskopie konnten wir sehen, welche reaktiven Moleküle sich bilden. Bald darauf erhielt ich die Möglichkeit für ein Auslandsforschungsjahr in die USA an die University of California in Berkeley zu gehen. Dieses eine Jahr sollte sich als das entscheidende Jahr auf meinem Weg zur physikalischen Chemie herausstellen. In Berkeley haben wir die Eigenschaften von Wasser detailliert untersucht. Obwohl ich ein Angebot zur Verlängerung meines Aufenthalts in den Staaten erhalten habe, wollte ich nach dem einen Jahr zurück nach Europa.
Als Sie zurück nach Europa kamen, haben Sie sich auf ihr Forschungsgebiet festgelegt. Was erforschen Sie genau?
Nach meiner Rückkehr aus den USA habe ich mich weiter mit den physikalischen und chemischen Eigenschaften von Wasser beschäftigt. Wasser ist das häufigste Lösungsmittel auf unserem Planeten und besitzt selbst faszinierende Eigenschaften. So ist zum Beispiel die Dichte von Wasser bei 4°C am Höchsten, das ist auch der Grund dafür, warum Eis auf Wasser schwimmt.
Meiner Ansicht nach wurde die Rolle des Wassers zu lange in der Biochemie nicht berücksichtigt. Auch heute wird in den Lehrbüchern das Wasser nur sehr selten dargestellt. In unserer Forschung haben wir herausgefunden, dass Wasser viel mehr als nur ein passiver Teilnehmer der Reaktion ist. Dadurch konnten wir schlussendlich erklären, weshalb Reaktionen, die in Wasser ablaufen, ab und zu nicht so wie erwartet funktionieren. Bevor wir mit unserer Forschungsarbeit angefangen haben, ließ sich das nicht nachweisen, weil Wasser auf seiner molekularen-Ebene nur schwer zu beobachten ist. Und generell gilt: Was sich nicht beobachten lässt, kann man auch nur schwer in Modelle einbauen. Wir haben mit der Terahertz-Spektroskopie (Anmerkung der Redaktion: THz-Spektroskopie) ein Verfahren entwickelt, um die schnellen Bewegungen des Wassers sichtbar zu machen. In unseren Beobachtungen konnten wir feststellen, dass das Wasser aktiv zu biologischen Prozessen beiträgt. Am besten lassen sich diese Abläufe mit einer Disco vergleichen. Das Wasser „tanzt“ mit einem Partner aber wechselt immer wieder seine Partner. Früher waren die Proteine die alleinigen „Stars“ der Reaktion, während das Wasser nur als „Zuschauer“ angesehen wurde. Diese veraltete Annahme können wir widerlegen.
Und generell gilt: Was sich nicht beobachten lässt, kann man auch nur schwer in Modelle einbauen. Wir haben mit der Terahertz-Spektroskopie (Anmerkung der Redaktion: THz-Spektroskopie) ein Verfahren entwickelt, um die schnellen Bewegungen des Wassers sichtbar zu machen. In unseren Beobachtungen konnten wir feststellen, dass das Wasser aktiv zu biologischen Prozessen beiträgt. Am besten lassen sich diese Abläufe mit einer Disco vergleichen. Das Wasser „tanzt“ mit einem Partner aber wechselt immer wieder seine Partner. Früher waren die Proteine die alleinigen „Stars“ der Reaktion, während das Wasser nur als „Zuschauer“ angesehen wurde. Diese veraltete Annahme können wir widerlegen.
Das ist wirklich ein gutes Beispiel dafür, dass Forschung unser Leben positiv beeinflussen kann. Ist das auch ihr genereller Leitsatz bei ihrer Forschungsarbeit?
Ich muss nicht von vornherein wissen, inwiefern Forschung die Zukunft positiv verändert, aber ohne neue Technologien, ohne Experimente kommen wir als Menschheit nicht voran. Mein persönlicher Antrieb ist die Neugier. Wenn ich etwas beobachte und mich der Wille packt nach dem „Warum“ zu suchen, fange ich an zu forschen. Außerdem ist Forschungsarbeit schwer vorhersehbar. Zu Beginn wurde meine Forschungsgruppe nicht gefördert und nur meine eigene Neugier und das Glück, dass ich Leute kannte, die an Proteinen geforscht haben, haben mich vorangebracht.
Das klingt nach einer gesunden Einstellung gegenüber ihrer Arbeit. Welche Tipps würden Sie jungen, MINT-interessierten Frauen, die sich eine Karriere in der Forschung vorstellen können, mit auf den Weg geben?
Wenn Sie Spaß an Rätseln haben, dann sollen Sie sich das bewahren. Folgen Sie ihren eigenen Interessen und stellen Sie sich auch gerne gegen den „Mainstream“. Sie kommen zu einem Ergebnis, dass nicht mit der gängigen Literatur übereinstimmt? Umso besser! Es geht nicht darum, was andere sagen, was „man“ machen müsste. Beugen Sie sich nicht dem gesellschaftlichen Druck und seien Sie mutig genug, klassische Bilder aufzubrechen und Ihren eigenen Ideen zu folgen. Aber das wichtigste ist, das zu machen, woran Sie Spaß haben.