15 Jahre zdi | 2016 – Sambia AG wird mit dem Deutschen Klimapreis ausgezeichnet

„Miteinander leben – voneinander lernen – füreinander da sein“ – unter diesem Motto bestehen seit 1986 Schulpartnerschaften zwischen der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule (IDG) in Gladbeck, Standort der Geschäftsstelle des zdi-Zentrums I+I=Z.Gladbeck, und zwei Schulen in Sambia, Afrika.

Guntram Seippel, Lehrer für Technik und Chemie, leitet die Sambia AG seit 2003. Seitdem ist ein deutlicher MINT-Bezug in der freiwilligen AG erkennbar. Unter der Überschrift „Licht zum Lernen“ planen Schüler*innen unter anderem Photovoltaikanlagen für die afrikanischen Partnerschulen. Höhepunkt ist ein jährlicher, wechselseitiger, vierwöchiger Schüleraustausch, bei dem die Teilnehmenden die Photovoltaikanlagen vor Ort in Sambia installieren. Damit werden die Partnerschulen unabhängiger vom öffentlichen Stromnetz. Zwar sind die sambischen Schulen ans Netz angeschlossen, aber Netzüberlastungen führen bislang immer wieder zu Stromausfällen. Deutsche und sambische Schüler*innen arbeiten dabei Hand in Hand an der Verbesserung der Infrastruktur. Während der Gegenbesuche in Deutschland wird gemeinsam gelebt, gelernt und an gemeinsamen Projekten zum Thema Klimaschutz und Ressourceneffizienz gearbeitet. Für dieses Engagement wurde das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. als „Ort des Fortschritts“ sowie 2016 mit dem Deutschen Klimapreis der Allianz Umweltstiftung und international mit dem National Globe Award Zambia.  2019 erhielt Guntram Seippel den TalentAward Ruhr für sein Engagement. Und auch in diesem Jahr wurde die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule vom Land NRW erneut als „Schule der Zukunft“ ausgezeichnet.

Guntram Seippel
© TalentWerkstatt Ruhr

Wir haben mit Guntram Seippel über das Projekt, den Deutschen Klimapreis und die Bedeutsamkeit von MINT-Know-how im internationalen Kontext gesprochen.

Herr Seippel, die Sambia AG besteht seit mehr als 30 Jahren. Wie kam es zur Gründung der AG?

Im Jahr 1985 war eine Delegation der sambischen Kirche zu Gast bei der evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte. Man muss wissen, dass viele sambische Schulen einen kirchlichen Background haben und an Kirchen angebunden sind. Aus diesem Grund waren unter den kirchlichen Delegierten aus Sambia auch viele Lehrkräfte. Neben dem Austausch über geistliche Themen, haben sich die Besucher auch mit dem deutschen Schulsystem beschäftigt. So fand die sambische Delegation ihren Weg nach Gladbeck an die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule. Bei diesem Besuch kam die Idee der Schulpartnerschaft auf und der damalige Schulleiter war von Anfang an Feuer und Flamme. Ein Jahr später war die erste Gruppe aus Sambia zu Gast in Gladbeck.

Das Kernelement der Sambia AG ist das Austauschprogramm. Worum geht es dabei?

In der Sambia AG finden sich seit 1986 Schüler*innen zusammen, die sich für das Thema Sambia und Austausch interessieren. Erstmal geht es darum, etwas über das Land zu erfahren, über das Leben dort und was für Unterschiede es zum Leben in Deutschland gibt. Die AG ist so organisiert, dass die Schüler*innen für zwei Jahre in der AG bleiben. Im ersten Jahr kommen die Gastschüler*innen aus Sambia nach Deutschland. Unsere Gladbecker Schüler*innen nehmen die sambischen Schüler*innen bei sich zuhause auf, um sie dann näher und intensiver kennenzulernen. Und im zweiten Jahr fahren wir dann runter nach Sambia.

Bei dem Austauschprogramm geht es primär um den interkulturellen Austausch. Der Großteil unser Schüler*innen kennen vielleicht europäische Länder aus dem Urlaub, Fernreisen sind jedoch unüblich. In diesem Sinne ist die Teilnahme an der Sambia AG für die meisten Teilnehmer*innen eine bahnbrechende Lebenserfahrung.

Seit 2004 spielen die MINT-Fächer eine große Rolle für die Sambia AG. Wie kam es dazu?

Ich habe die Leitung der Sambia AG im Jahr 2003 übernommen. Seitdem haben wir den Technikunterricht in das Projekt integriert und dabei konkret die Photovoltaik. Wir haben bei uns in der Gesamtschule selbst Solaranlagen auf dem Dach installiert und die Photovoltaik ist sowieso zentraler Bestandteil des Technikunterrichts. Bei dem ersten Austausch, den ich im Jahr 2004 geleitet habe, haben wir, als die Sambianer bei uns zu Gast waren, Projekttage zum Thema Photovoltaik veranstaltet. Zusammen mit unseren Gästen haben wir uns die Anlagen auf dem Dach angeguckt und gelernt, wie die Technik funktioniert. In diesem Zusammenhang ist dann auch die Idee erwachsen, solche Anlagen auch in Sambia aufzubauen. Das Projekt „Licht zum Lernen“, durch das Photovoltaikanlagen auf sambischen Schuldächern installiert werden, war geboren.  

Worum geht es bei dem Projekt „Licht zum Lernen“?

Die zwei sambischen Partnerschulen sind zwar an das Stromnetz angeschlossen aber 1/3 des Tages gibt es keinen Strom. Und das ist für die Schüler*innen an den Partnerschulen durchaus problematisch, denn sie gehen auf sogenannte boarding schools, also Internatsschulen. In Sambia geht um 18.00 Uhr die Sonne unter, also genau dann, wenn nach Schulschluss die Lernzeit der Schüler*innen beginnt. Ohne Strom können sie diese Lernzeit nicht nutzen. Durch unser Projekt „Licht zum Lernen“ waren wir im Laufe der Jahre in der Lage, sämtliche Klassenräume unser sambischen Partnerschulen mit Solarstrom zu versorgen. Jetzt haben alle Schüler*innen an beiden Schulen ganztägig die Möglichkeit zu lernen. Das hat dazu geführt, dass sich die Abschlüsse an den Schulen verbessert haben. Mittlerweile werden die Anlagen von den sambischen Schüler*innen selbst betreut und gewartet. Da merkt man dann, dass die Projekte wirklich nachhaltig sind und dauerhaft etwas bringen.

2016 wird die Sambia AG für das Projekt „Licht zum Lernen“ mit dem Deutschen Klimapreis ausgezeichnet. Was zeichnet der Preis aus?

Beim deutschen Klimapreis geht es um nachhaltige Umweltprojekte. In Deutschland gibt es zahlreiche Schulen, die Photovoltaikanlagen auf ihren eigenen Schuldächern installieren. Das allein ist kein Auswahlgrund, um für den Deutschen Klimapreis nominiert zu werden. Der interkulturelle und soziale Hintergrund unseres Projektes ist das Entscheidende und der Grund dafür, dass die Sambia AG seit mehreren Jahren sehr erfolgreich bei Wettbewerben ist. Die Fortdauer der Sambia AG und die Wechselseitigkeit des Austauschprogrammes mit einem afrikanischen Land sind einmalig in Deutschland.

Abgesehen von den Preisgeldern, wie finanziert sich die Sambia AG?

Hier in Gladbeck wird das Unterrichtsmaterial, das für die Vorbereitung benötigt wird, von zdi finanziert. Dadurch können die Grundlagen der AG-Arbeit gelegt und von den Schüler*innen untersucht werden, wie solch komplexe Anlagen aufgebaut sind. Photovoltaik ist zum einen Thema im Technikunterricht, aber vor allem im AG-Unterricht. Durch zdi ist eine verlässliche finanzielle Basis gegeben, um solche Projekte kontinuierlich umsetzen zu können. Dieser Grundstock führt dazu, dass alle Wettbewerbsgelder vor Ort in Sambia in den Aufbau der Solaranlagen gesteckt werden können. Aber auch Preisgelder erschöpfen sich. Wir sind im Prinzip immer auf der Suche nach Wettbewerben oder Firmen und Sponsoren, die das Projekt unterstützen wollen. Das ist leider nicht langfristig geregelt, sondern eine immerwährende Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten.

Wie wichtig sind interkultureller Austausch und Wissenstransfer im MINT-Bereich?

Der Austausch ist sehr wichtig für beide Seiten, die deutsche und die sambische, um über den persönlichen Tellerrand zu blicken. Durch Projekte wie die Sambia AG merken die Schüler*innen, dass sie Verantwortung nicht nur bei sich zuhause, sondern auch weltweit übernehmen können. Und sie lernen die Bedürfnisse, Ängste und Vorteile aber auch Nachteile von Menschen in anderen Kulturen kennen. Sei es die Corona-Pandemie oder der Klimaschutz, das sind weltweite Probleme, die nur gemeinsam in internationaler Union angepackt werden können. Das erleben die Schüler*innen bei interkulturellen Austauschprogrammen hautnah.

Mit Erkenntnissen aus dem MINT-Bereich, wie in unserem Beispiel der Photovoltaik, kann wirklich etwas bewirkt werden. Für Schüler*innen ist es wichtig, den eigenen Horizont über den schulischen Technikunterricht zu erweitern und zu lernen, wofür MINT alles benötigt wird und was man mit MINT-Know-How bewirken kann. So erhalten die Schüler*innen einen ganz anderen Blickwinkel auf die Welt und die eigenen Perspektiven. Sie merken durch Projekte wie „Licht zum Lernen“, dass sie auch mit ihren begrenzten Möglichkeiten etwas verändern können.

Sie leiten die Sambia AG nun schon seit vielen Jahren. Was fasziniert Sie persönlich an der AG? Was war ihr Highlight in all den Jahren?

Für mich als Lehrer ist das gesamte Projekt natürlich einmalig, weil man den Schüler*innen beim Wachsen zusehen kann. Wenn unsere Schüler*innen in Sambia ankommen und mehr oder weniger auf sich selbst gestellt sind, dann müssen sie ihr Leben bis zu einem gewissen Grad selbst in die Hand nehmen. Und zwar in Dingen, die für uns hier in Deutschland völlig normal sind und wo wir uns keine Gedanken drüber machen. Das fängt bei fließendem Wasser an, das es an den sambischen Partnerschulen nicht gibt. Das Projekt birgt einfach sehr viel Lernpotenzial auf mehreren Ebenen.

Mein Highlight ist, dass unser Projekt auch in Sambia vor Ort Früchte trägt. Eine ehemalige sambische Schülerin hat nach ihrer Schulzeit Physik studiert und arbeitet nun als Lehrerin an einer anderen Schule. Wir haben sie dazu inspiriert, auch an ihrer Schule MINT-Förderung zu betreiben und ein ähnliches Projekt zu initiieren. So trägt sie unsere Idee nun weiter und immer mehr Schulen werden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.

Herr Seippel, vielen Dank für das Gespräch!

Alle Infos zur Sambia AG finden Sie auf den Seiten der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule.
Weiterführende Informationen zum zdi-Zentrum I+I=Z finden Sie hier.

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